Ain Sefra

08.01.2025

Gegen Mittag verlassen wir die bunten Berge und fahren auf Nebenstrassen weiter, bis wir auf die N6 stossen. Von der Kreuzung sind es 30 Kilometer in Gegenrichtung nach Ain Sefra, wo es angeblich die nächste Tankstelle gibt, was auch stimmt. Wären wir gleich weiter Richtung Süden nach Bechar gefahren, wäre nach etwa 10 Kilometern eine Tankstelle gekommen, aber wir haben den 60 Kilometer langen Umweg in Kauf genommen, um nach Isabelle Eberhardt zu fragen.

Ain Sefra, übersetzt die gelbe Quelle, liegt auf etwa 1000 Metern Höhe und gilt als Ausgangspunkt für Liebhaber von Felsgravuren aus der Bubalus-Periode. Einige sind leicht zu finden, andere nur mit einem Führer. Im Tal von Moghrar, am Südhang der Monts des Ksour, trifft der Besucher auf bedeutende Gravuren.

Das Dorf Ain Sefra ist ein typisches grösseres Dorf in der Region des Sahara-Atlas, wie man es auch in Marokko findet. Der eigentliche Ort ist entlang der Hauptstrasse bebaut, an der sich allerlei Geschäfte, Cafés und einfache Restaurants befinden. Etwa in der Mitte befindet sich der Obst- und Gemüsemarkt. In den Seitenstrassen gibt es zahlreiche Handwerksbetriebe, falls jemand etwas zu reparieren oder zu kaufen hat. Die Tankstelle befindet sich übrigens am Ortseingang in den neu gebauten Wohnvierteln nahe der Hauptstrasse. Hier haben wir auch gleich unsere Reservekanister auffüllen lassen.
Nach dem Kauf von frischem Gemüse, Mandarinen und Bananen haben wir uns noch eine SIM-Karte von einem anderen Anbieter, Mobilis, gekauft. Auf Djezzy war in den Städten Verlass, aber auf dem Land ist der Empfang schlecht. Auch Mobilis hat nicht immer Empfang und viele Einheimische benutzen alte Handys, weil die neuen 4G keinen Empfang haben. Wir essen in einem einfachen Restaurant, wo es ausser Harira-Suppe und Eintopf nur gegrilltes Huhn gibt. Aber so ein leckeres, zartes Huhn habe ich schon lange nicht mehr gegessen.
Nach der Stärkung frage ich mich, ob jemand auf den Namen Isabelle Eberhardt antworten kann und versuche es zuerst bei einem etwas älteren Mann. Er weiss sofort, von wem ich spreche und nennt mir auch den Friedhof, wo sich das Grab der Schweizerin befindet. Friedhof Sidi Boudjemaa.
Auch die Wegbeschreibung stimmt. Die Hauptstrasse hinunter, am Kreisel rechts, am zweiten Kreisel links über die Brücke, dann gleich rechts am Fluss entlang bis zur nächsten Brücke. Noch einmal das Flussbett überqueren und gleich links zum Friedhof. Islamische Friedhöfe sind für Besucher immer geöffnet und frei zugänglich. Die einzelnen Gräber werden nie ausgehoben, was vor allem im älteren Teil die Wegfindung erschwert, man sollte auf keinen Fall auf ein Grab treten. Beim Betreten des Friedhofs sprechen die Gläubigen ein kurzes Gebet: antum alsaabiqun wanahn allaahiqun. Ihr wart die ersten, wir werden euch folgen.

Meistens gibt es auf dem Friedhof einen Wächter, der auch weiss, wo die einzelnen Gräber liegen. Aber wir waren an einem Seiteneingang. Zwei Jungen, etwa 18 Jahre alt, kamen am Friedhof vorbei. Auch sie kannten das Grab von Isabelle und führten uns dorthin, vorsichtig, ja nicht auf ältere, fast verfallene und unverkennbare Gräber zu treten. Das Grab von Isabelle Eberhardt, der Reisenden und Autorin der Sandmeer-Bände vom Anfang des 20. Jahrhunderts, ragt aus den umliegenden Gräbern heraus. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dass es ratsam ist, das Grab mit einem Führer zu erreichen, um die alten, kaum sichtbaren Gräber nicht durch ungewolltes Betreten zu entweihen. Übrigens erwartet keiner der Führer eine Bezahlung für seine kleinen Dienste. Sein Lohn ist der Wert der Hilfe, die er einem Fremden geben durfte. Das war auch einmal in Marokko so, gehört aber längst der Vergangenheit an.

Der Grabstein trägt folgende Inschrift
Isabelle Eberhardt, epouse Ehnni Sliman, morth a 27 ans, katastrophe d' Ain Sefra, 21. Octubre 1904.

Im Jahr 1900 liess sich Isabelle in der Region nieder. Wir kennen ihr Leben nur aus ihren Tagebüchern, die nach ihrem Tod ohne ihre Zustimmung veröffentlicht wurden. Die geheimnisvolle Frau, die sich hinter Masken und falschen Namen versteckte und Männerkleidung trug, reiste so durch die Region von El Oued bis nach Ain Sefra. Dank der Frauenbewegung in den 1970er Jahren wurde Eberhardt wiederentdeckt, und die Faszination ihrer Erzählungen hat bis heute nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Ihr widersprüchlicher Charakter spiegelt sich in den erhaltenen Texten wider.
Direkt am Friedhof haben wir einen herrlichen Blick auf das weite Wadi, die älteren Aussenbezirke und dahinter die riesig wirkenden Dünen.

Es wird spät und wir fahren weiter in Richtung Bechar. Eine Stunde vor Sonnenuntergang suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen. Das gefällt der Polizei nicht, denn wir sind zu nahe an der marokkanischen Grenze. Nur wenige Kilometer trennen uns von Figuig. Wir werden höflich gebeten, in der 10 Kilometer südlich gelegenen Tankstelle zu übernachten, was wir auch tun.