Auf den Spuren des Goldschmiedes der Worte
Irgendwann und irgendwie in der spanischen Buchhandlung in Bern nimmt Gregorius ein Buch in die Hand und liest: Amadeu Inacio de Almeida Prado, Um Ouvrives das Palavras, Lisboa 1975. Ein Goldschmied der Worte, heisst es übersetzt. Still und elegant, wie mattes Silber, Um Ouvrives das Palavras!
Wer mag sich erinnern, dass dieser Satz aus dem Roman "Nachtzug nach Lissabon", ein Roman von Pascal Mercier, stammt. Ich habe das Taschenbuch, erschienen im btb Verlag, 9. Auflage, Mai 2006, vor mir. Bereits auf Seite 27 wird der Leser mit dem in portugiesischer Sprache geschriebenen fiktiven Buch konfrontiert. Dieses Buch und seine Wörter begleiten die Geschichte bis zur letzten der 495 Seiten, "Vor dem Eingang der Klinik drehte sich Gregorius um und winkte. Dann ging er hinein. Als sich die Tür hinter ihm schloss, begann es zu regnen."
Im Internet kursiert eine Kopie in Englisch des fiktiven Buches von Amadeu rum, kann aber nirgends gekauft werden und die vermeintliche Seite, wo das Buch online zu lesen sei, ist gesperrt, Spamverdacht. Vielleicht werde ich in London was finden. Ich habe mir in meiner Ausgabe etliche Sätze und Anekdoten unterzeichnet und rausgeschrieben und möchte ein paar von ihnen hier für mich und meine Leser festhalten:
"...zwei Männer, die sich für einen Moment über alle Angst, alle Trauer, alle Enttäuschungen und über ihre ganze Lebensmüdigkeit zu erheben vermochten."
"Man darf die anderen nicht zu Bausteinen des eigenen Lebens machen."
"...geteilt in naher Ferne, ferne Nähe."
"Das Leben ist nicht das, was wir leben, es ist das, was wir uns vorstellen zu leben."
"Menschen ertragen die Stille nicht."
"Sie ist Gegenwart, diese Vergangenheit und nicht bloss in Form kurzer Episoden der aufblitzenden Erinnerungen."
"...plötzlich stand ich in einer Welt, die ich nicht kannte, in der ich mich nicht zu sehen traute."
"Will ich mich verlieren? Nein, ich will mich finden."
"...wenn die Zeit eines Lebens knapp wird, gelten keine Regeln mehr."
"Alle würden sie sterben und alle hatten sie Angst davor, wenn sie daran dachten. Irgendwann sterben - nur nicht jetzt!"
"...ich liege neben ihr im Bett, höre ihren Atem, spüre ihre Wärme und, bin schrecklich einsam.
Was ist das bloss?"
"...man ist nicht richtig wach, nicht richtig sich selbst, wenn man nicht schreibt. Ganz zu schweigen, wer man nicht ist!"
"...ich weinte aus Freude, dass sie gekommen war, oder, aus Trauer, dass sie erst jetzt gekommen war."
"...die Worte, alle dem Vergessen vorbestimmt, sind verklungen."
"Die Beerdigung ist Sache der anderen, der Tote hat damit nichts zu tun. Ich will nur, dass es regnet."
Ein Roman mit Tiefgang, unter die Gürtellinie, aber ohne Gewähr. Liest dieses beeindruckende Buch!