Badefreuden waren tabu

11.06.2022

Aufsatz im Schuljahr 1976 / 77 zum Thema gleiche Rechte für alle:
Die Herren im quergestreiften, knielangen Badeanzug, die Damen in Pumphosen unter kurzen Röckchen - so tummelte sich einst die elegante Welt in den Brandungen der Seen. An Bikini wagte damals noch niemand zu denken. heute heisst der Leitspruch für Badegäste: Je weniger desto besser! In den Badeanstalten sind Männer wie Frauen nur noch mit dem notwendigsten bekleidet oder sind ganz ohne, wie an den FKK-Stränden.
Auch in den sorgsam eingezäunten Bädern waren den Badenarren sittsame Schranken errichtet worden: Man schwamm und plätscherte streng nach Geschlecht getrennt. Für so manchen Jüngling gehörte zum erfrischenden Bad auch noch der kühne Versuch, durch Ritzen und Löcher einen verbotenen Blick in die Damenabteilung zu werfen. Der einzige, von Berufs wegen dort geduldete Mann war der Bademeister. Sicherlich konnte nur ein moralisch besonders gefestigtes maskulines Wesen dieses Amt ausüben.
Das Bad in den Meeresfluten gehörte seiner zeit für die vornehmen Damen noch zur Intimsphäre. Sie liessen sich dabei nicht gerne zuschauen. Darum benutzten sie fahrbare Badekabinen. In diesen Karren wurden sie ein Stück ins Meer hinausgeschoben. Dort stiegen sie dann ins kühle Nass.
In der heutigen Zeit schwimmen beide Geschlechter zu gleicher Zeit und am gleichen Ort. Man kann die Badeschönheiten bestaunen und bewundern ohne etwas verbotenes zu tun. Man kann mit ihnen plaudern und scherzen ohne dass ein Bademeister einschreiten würde.
Frischluftfanatiker waren um 1900 noch selten. Der Gedanke, sich von der Sonne bräunen zu lassen, war vor allem den Damen abwegig erschienen. Sie suchten, vielmehr mittels breitrandiger Hüte und Sonnenschirmen sich jenen, blassen Teint zu erhalten, der dazumal als modern galt.
In unserer Zeit will keiner gerne eine "Bleichmaus" sein, Je brauner, nicht rot, desto besser. Am liebsten an allen Stellen des Körpers. Man streicht die aller möglichsten Sachen ein, um schnell braun zu werden. Unter der künstlichen Höhensonne schmort man, bis ein Erfolg sichtbar ist.
Fast jeder will gebräunt sein. Aber nicht jeder will gleiche Rechte für Schwarz und Weiss.
Ist das eine verkehrte Welt!?!