Berber
Wenn wir es gleich zu Beginn dieses Artikels genau nehmen wollen: Berber gibt es nicht!
Das
Wort Berber ist die französische Übersetzung des griechischen bzw.
lateinischen Wortes Barbarus und bezeichnete ursprünglich die
Bezeichnung der Römer für die indigenen Völker Nordafrikas. Es
bedeutet so viel wie Fremder, Unzivilisierter oder jemand, der nicht
die Sprache der alten Griechen und Römer spricht.
Die
Menschen in Nordafrika, also im heutigen Mauretanien, Marokko,
Algerien, Tunesien und Libyen, waren kein einheitliches Volk, sondern
es handelte sich bis heute um verschiedene grössere und kleinere
Stämme, die die Täler, Ebenen und Wüsten der einzelnen Länder
bewohnen.
Das
Leben und die Traditionen dieser Stämme wurden ab den 1970er Jahren
gerne von den Tourismusverantwortlichen der erwähnten Länder als
Werbung genutzt. Zelte, Sitten und Bräuche, Kamele und Reiterspiele
verkörpern etwas von Freiheit, Gelassenheit und Ungebundenheit, die
den Menschen in Europa fehlen.
Da
es auch für mich einfacher ist, diese Vielzahl verschiedener Völker
unter einem Namen zusammenzufassen, nenne ich sie im Folgenden
ebenfalls als Berber, sofern nicht spezifisch von einem Stamm die
Rede ist.
Die
Berber blicken auf eine lange Vergangenheit zurück. So haben sie
bereits die Karthager, Griechen und Römer als Eindringlinge
bekämpft, gleichzeitig aber auch Handel mit ihnen betrieben. Doch
Kämpfe um fruchtbares Land, Wasserrechte und Herden waren unter den
berberischen Stämmen an der Tagesordnung.
Ab
dem 8. Jahrhundert kamen auch sie mit den Arabern in Kontakt, die aus
dem Osten kamen und den neuen Glauben, den Islam, mitbrachten. Da der
Islam in seinen Grundzügen einfach ist, bekehrten sich viele Berber
zum Islam. Sie kämpften und eroberten im Namen Allahs weitere
Ländereien in Nordafrika und stiessen über die iberische Halbinsel
bis über die Pyrenäen vor. In späteren Jahren bildeten mächtige
Stammesführer Berber-Dynastien wie die Almoraviden und die
Almohaden. So stellten sie im Laufe der Jahre bekannte Gelehrte wie
Averroes und Ibn Khaldun. Diese Gelehrten lebten in arabischen
Städten und dienten fremden Kulturen.
Betrachtet
man heute die offiziellen Statistiken der Maghreb-Länder, so fällt
auf, dass die Mehrheit der Bevölkerung Araber sind, die vor allem in
den grösseren Städten und an der Küste wohnen, während die Berber
in den halb verlassenen Tälern des Atlas-Gebirges leben. Dies ist
jedoch falsch, wenn wir bedenken, dass Ende des bereits erwähnten 8.
Jahrhunderts lediglich 3 % der Bewohner Araber aus dem Osten waren.
Die Araber gehörten zur Elite und wenn sie sich mit einer Berberin
eingelassen haben, dann mit einer der Frauen ihres Harems.
Mit
den Jahren fühlten sich die Einwohner nicht mehr in erster Linie als
Berber. Als gläubige Anhänger des Islams verehrten sie das
Arabische als Sprache des Propheten und des heiligen Buches, des
Korans.
So sprachen sie am liebsten Arabisch und machten diese
Sprache zur Verwaltungssprache ihrer Länder. Wenn man heute einen
Marokkaner oder Algerier fragt, wird die Antwort immer sein: Ich bin
Araber, kein Kabyle oder Rifi, ich bin Araber. Selbst wenn man seine
DNA prüfen würde und er das Glück hätte, von einem der drei
Prozent reinrassiger Araber abzustammen, würde man nach über 1000
Jahren nichts mehr davon wissen. Ich persönlich kenne einen
marokkanischen Geschäftsmann, dessen Mutter eine schwarze Berberin
aus dem Süden ist. Er hat Jahre lang nicht mit mir geredet, weil ich
ihm sagte, dass er unmöglich ein Araber sei. Araber sein bedeutet
heute, ein gläubiger, praktizierender Gefolgsmann des Islams zu
sein.
Die Berber, die von Marokko bis Libyen und vom Norden Algeriens bis ins tiefe Mauretanien leben, haben keine gemeinsame Kultur und Sprache. Ihre Lebensweisen und der Baustil ihrer Dörfer unterscheiden sich voneinander. Das Einzige, was sie vereint, ist das Gefühl, einem Stamm, einem Dorf anzugehören, und die Sehnsucht nach Freiheit. Das einzige, was die verschiedenen Berber verbindet, ist die Religion. Dabei vergessen die einzelnen Gruppen ihre uralten Traditionen und Brauchtümer nicht und leben neben dem Islam.
Im 8. Jahrhundert trafen die arabischen Glaubenskrieger in Libyen auf die ersten Berber. Der Glanz der römischen Zeit war verloren, die Städte mit ihren Befestigungsmauern, Toren und Türmen waren verfallen. Die Stämme lebten weniger an der Küste als vielmehr im gebirgigen Hinterland. Als sich die Gefahr näherte, schlossen sich mehrere Berberstämme zusammen, um gemeinsam gegen die neuen Eindringlinge zu kämpfen. An der Spitze dieser vereinten Stämme stand eine Frau: El Kahina, die Prophetin. Sie stammte aus dem Aures-Gebirge, einem Ausläufer des östlichen Atlas im heutigen Algerien. Das Aures-Gebirge mit seinen tiefen Schluchten machte es Eroberern schon immer schwer. Hier lebten unbeugsame und unabhängige Menschen, die jedoch offen für den Handel mit den Bewohnern der Küstengebiete waren. Unter diesen Händlern befanden sich auch Juden, die abends mit den Familienältesten am offenen Feuer diskutierten und einen Stamm nach dem anderen vom alten Dämonenglauben zum Judentum überredeten. So glaubte auch Kahina an Jehova, den einen Gott.
Die Araber rüsteten sich zum Vormarsch ins Gebirge, in das sich Kahina mit ihren Leuten zurückgezogen hatte. Für die Karthager und Römer war dies immer ein schwer zugängliches Gebiet gewesen. Die Araber kannten sich jedoch mit der Wüste und den zerklüfteten Tälern aus. Kahina liess das gegnerische Heer ungehindert ins Tal einmarschieren. Die Araber fanden abgeerntete Felder oder verbrannte Wiesen vor. Doch die Ruhe der Berge war trügerisch. Kahina wartete in einem Hinterhalt und kesselte die Eindringlinge ein. Es vergingen zwei Jahre, bis aus Damaskus über Ägypten Verstärkung gesandt wurde. Zunächst wurde jedoch die Stadt Karthago erobert. Nun hiess es, Kahina zu vernichten und ihr Volk zu unterwerfen. Dies gelang jedoch nur durch einen Verrat in den eigenen Reihen der Berberkönigin. Bei einer mörderischen Schlacht wurde Kahina getötet, ihr Kopf wurde dem Kalifen in Damaskus überbracht. Bis heute zollen die Algerier der Königin Respekt.
Die Araber zogen weiter und erreichten den Maghreb im westlichen Afrika. Von dort aus erblickten sie auf der anderen Seite des Mittelmeers den Felsen von Gibraltar. Der Wunsch, auf die europäische Seite zu gelangen, wurde immer grösser. Doch der arabische Anführer wollte seine kleine Gruppe arabischer Kämpfer nicht ins Ungewisse senden. Deshalb übergab er den Auftrag an den Berber Tarik ibn Ziyad. Mit der Hilfe eines christlichen Grafen aus Ceuta, der mit den Herrschern auf der iberischen Halbinsel zerstritten war, gelangte Tariks Heer auf die andere Seite. In wenigen Monaten wurden die damaligen Städte im Süden erobert. Tarik gelangte bis nach Toledo, der damaligen Hauptstadt des Westgotenreichs. So wurde der Grundstein für das islamische Reich El Andalus von einem Berber mit seinem Heer gelegt.
