Corte de Luz

30.04.2025

Kein Strom bedeutet für den Spanier kein Licht, corte de luz.

Letzten Dienstag war ich in der Innenstadt einkaufen und bin dann nach Hause gefahren. Mit dem Aufzug in den vierten Stock und kaum zu Hause, kein Strom. Zuerst schaute ich in den Sicherungskasten, alle Sicherungen oben, im Treppenhaus sah ich, dass die Notbeleuchtung brannte. Also Stromausfall im ganzen Haus. Erst später bemerkte ich, dass auch die Ampeln vor dem Haus nicht funktionierten. Kein Strom in der Nachbarschaft. Um die Mittagszeit ging ich zum Wohnmobil, um unseren mobilen Gaskocher zu holen. Unterwegs informierte mich der Postbote, kein Strom in ganz Spanien, Portugal und Teilen Frankreichs. Ich war geschockt, mein erster Gedanke war ein Hackerangriff auf das Rechenzentrum der spanischen oder europäischen Computer, die den Strom in Europa verwalten und verteilen.

Mit meiner ausländischen SIM-Karte erreichte ich meinen Sohn in der Schweiz, der nach kurzer Recherche im Internet die Information des Briefträgers bestätigte. Er wollte mich später mit weiteren Informationen anrufen, aber die Anrufe klappten nicht. Doch plötzlich kam ein Anruf durch und ich erhielt weitere Informationen aus Mitteleuropa. Hier in Spanien konnte ich keine weiteren Informationen bekommen, da das Internet tot war, der Fernseher nicht funktionierte und das Radio keine Batterien mehr hatte. Also heisst es warten und hoffen, dass das Problem so schnell wie möglich gelöst wird.

Ich wollte in die Innenstadt, um zu sehen, ob wir dort mehr erfahren könnten. Die wichtigsten Kreuzungen wurden von der örtlichen Polizei durchgewunken. Der Bus fährt und die Fahrkarten können gekauft werden. Der Supermarkt in der Nachbarschaft ist geschlossen. Aber der Supermarkt im Zentrum hat geöffnet. Ich gehe durch den Laden. Es sind viele Kunden da, aber es ist ruhig. Es gibt kein Brot mehr, auch die Regale mit Trinkwasser und Konserven sind leer. Ohne Strom gibt es auch kein Wasser, es fehlt der Druck, um die Flüssigkeit in die Wohnungen zu bringen, und der wird mit elektrischen Pumpen aufgebaut.

Die Kühlregale im Supermarkt sind geschlossen, um Energie zu sparen. Ich spreche mit dem Filialleiter. Sie hätten ein Notstromaggregat mit Diesel betrieben. Das interne Internet funktioniere auch, so dass man mit Karten bezahlen könne. Ich mache einen kleinen Einkauf und bezahle mit der Karte. Bis heute wurde der Betrag nicht abgebucht.

Ich gehe durch die Innenstadt. Die meisten Geschäfte sind geschlossen. Aber der eine oder andere Laden hat noch geöffnet. Dasselbe gilt für die Cafés. Wer offen hat, hat Kundschaft, die Terrassen sind voll. Getrunken wird alles, nur keine heissen Getränke. Jugendliche sitzen verloren auf den öffentlichen Bänken. Die Elektroroller ohne Akku vor sich, die Handys auch ohne Netz wie gewohnt in der Hand. Sie hoffen, dass es bald wieder Strom gibt, denn in den sechsten Stock ohne Lift käme er nicht, sagt der eine. Der andere meint, das sei der Beginn des Vierten Weltkrieges. Auf meine Frage, welcher denn der Dritte gewesen sei, weiss er keine Antwort. Aber es ist ruhig, die Menschen sind gelassen.

Der Abend bricht herein, es wird dunkel. Nur in wenigen Wohnungen der Nachbarschaft brennt Kerzenlicht. Polizeiwagen fahren mit Blaulicht durch die Stadt. Feuerwehrautos heulen zu einem Einsatzort. Krankenwagen bahnen sich ihren Weg durch die Dunkelheit. Fussgänger nutzen die Taschenlampe ihres Handys, um sicher über die Strasse zu kommen. Solange der Akku des Handys hält, ist man noch Mensch. Die Nacht bleibt ruhig. Nur der Benzinmotor des nahen Einkaufszentrums brummt und die Scheinwerfer erhellen das Gebäude. Das Licht soll in der Dunkelheit vor Einbrechern schützen.

Da es nichts zu tun gibt, gehen wir schlafen. Morgens um 8 Uhr fahre ich mit dem Auto ins Zentrum. Hier funktionieren die Ampeln, die Cafés sind voll, die Lichter brennen, die Kaffeemaschinen summen. Später haben auch wir im Wohnviertel wieder Strom. Auf der Strasse jubeln die Kinder: Hay luz!