Das Mittelmeer

10.09.2024

Eine Biografie über das eigene Leben oder das Leben einer Person, die im Mittelpunkt des Universums stand oder noch steht, ist keine leichte Aufgabe, aber es gibt die Person, mit der man sprechen kann, und es gibt Menschen, welche die zu porträtierende Person über Jahre begleitet haben.
David Abulafia hat es gewagt, die Biographie des Mittelmeerraumes auf über 800 Seiten mit zusätzlichen 135 Seiten für Anmerkungen und Register zu schreiben. Und, es ist ihm gelungen! Er hat das Leben des Meeres im Zentrum der Welt in verschiedene Epochen eingeteilt. Das erste mediterrane Zeitalter reicht von 22.000 bis 1.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Das fünfte Zeitalter erzählt die Geschichte des Mittelmeers von 1830 bis 2010. In dieser Zeit erlebte das Meer den Untergang der Osmanen und damit den Ersten Weltkrieg. An seinen Ufern wurde im Zweiten Weltkrieg gekämpft und viele Staaten rund um das Mittelmeer erlebten bis in unsere Zeit Kämpfe und Bürgerkriege.

Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches war der Mittelmeerraum nie wieder vereint. Es teilte sich in Ost und West. Verschiedene Städte spielten zu verschiedenen Zeiten eine wichtige Rolle. Keine hat bis heute überlebt. Es scheint, als könnten sich nur Konflikte am Wasser halten. Auch heute noch werden Kriege an den Stränden des Nahen Ostens ausgetragen.
Die reichen und einflussreichen Stadtstaaten sind verschwunden, nur einer ist geblieben, Gibraltar, das bis heute eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielt. Im Zeitalter von Satelliten und Flugüberwachung ist der durchlöcherte Felsen, wie auch sein Nachbar Chebl Moussa auf dem afrikanischen Kontinent, für die Schifffahrt und damit für den Handel nicht mehr wichtig. Doch bis zum Zweiten Weltkrieg kämpften die verschiedenen Mächte um die Kontrolle der Meerenge zum Atlantik, ebenso wie um die Meerengen von Malta. Beide Inseln gehörten und gehören bis heute zu England. England, das selbst keinen direkten Zugang zum Mittelmeer hatte, war die führende Macht während der letzten mediterranen Epoche. Im Gegensatz zu Russland konnte sich England im Mittelmeer behaupten und etablieren. Frankreich als Reich am Mittelmeer musste deren Erfolg anerkennen und auch als die Amerikaner ihre persönliche Ostgrenze gegen die UdSSR ins Mittelmeer zogen, wusste sich keiner der Mittelmeerstaaten zu wehren. Auch China wusste sich mit Geld und dem Bau von kleinen und mittelgrossen Häfen einen Platz am Mittelmeer zu schaffen.

David Abulafia, geboren 1949, ist Professor für Geschichte des Mittelmeerraums an der Universität Cambridge und Fellow des Gonville and Caius College und der British Academy. Er ist außerdem Mitglied der Academia Europa. Für seine Arbeiten zur italienischen und mediterranen Geschichte wurde er 2003 zum Commendatore dell'Ordine della Stella della Solidarietà Italiana ernannt. Er hat zahlreiche Publikationen veröffentlicht. Das Mittelmeer auf Deutsch ist 2013 im S. Fischer Verlag erschienen.

Die Geschichte des Mare Nostrum ist die Geschichte der europäischen Zivilisation. Das grossartige und opulente Werk erzählt die Geschichte des Mittelmeers, das seit mehr als 3000 Jahren eines der Zentren der zivilisierten Welt ist. Auf seiner geographischen Achse werden seit der Zeit Trojas politische und kulturelle Innovationen von weltpolitischer Bedeutung entschieden. Von hier aus wurden neue Reiche erobert, Grenzen verschoben, Weltanschauungen durchgesetzt, Irrfahrten unternommen. Es gab Schrecken, Kriege, Fehden, Eroberungen, Kreuzzüge und Tragödien. Aber es gibt auch die andere Seite, die unvergleichliche Geschichte des Dialogs zwischen verschiedenen Kulturen, Identitäten, Politiken, Wissenschaften, Handel und Religionen entlang der Küsten dieses Gewässers.

Ein Werk über ein Meer, das nicht nur für Europa und Afrika bis in die Zeit des Tourismus eine wichtige Rolle gespielt hat. Ein Buch, das nicht leicht zu lesen ist, so wie seine Geschichte nicht leicht zu verstehen ist. Aber so manches Aha-Erlebnis ist dem Leser gewiss.