El Malah - Algerien

14.03.2023

Auf meiner Reise mit dem Gemeinschaftstaxi von Tlemcen nach Oran ist mir aufgefallen, dass auf halbem Weg, rund ein Kilometer von der Hauptstrasse entfernt ein Städtchen auftaucht, welches durch einen Kirchturm und nicht durch ein Minarett überragt wird. Bei späteren Nachforschungen entdeckte ich, dass es sich beim heutigen El Malah um das frühere Städtchen Rio Salado handelt. Der Name, ob auf arabisch oder spanisch, stammt vom salzigen Fluss, der in den Bergen von Tessala entspringt, durch die Stadt fliesst, um am Strand von Terga ins Mittelmeer zu fliessen.
Die Region wurde bereits unter den Römern "Flumen Salsum" genannt. In der Nähe fand auch im Jahre 1518 die Schlacht der Türken unter Barbarossa gegen die Spanier statt. Viele Jahre später liessen sich die ersten spanischen Kolonisten nieder und erst durch die Unabhängigkeit Algeriens im Jahre 1962 kam der Ort zum heutigen arabischen Namen El Malah.

Spanische Einwanderung in Algerien
Die Einwanderung aus Spanien erlebte ihren Höhepunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des spanischen Bürgerkrieges im Jahre 1939. Die spanische Präsenz in Nordafrika geht jedoch auf die Zeit der Krone von Aragon zurück. Ab dem 15. Jahrhundert wurden Handelsbeziehungen zwischen der iberischen Halbinsel und Afrika gepflegt. Die letzten maurischen Flüchtlinge liessen sich ebenfalls während des 17. Jahrhunderts in der gleichen Gegend nieder. Bereits während der Reconquista fanden aber vertriebene Mauren eine neue Heimat, von Tanger bis Tunis, an der nordafrikanischen Küste.
Bevor der Maghreb eine Auswanderungsregion wurde, war es ein beliebtes Einwanderungsgebiet vor allem für Spanier stammenden aus den heutigen Provinzen Almeria, Alicante und Valencia. Aber auch Italiener und natürlich Franzosen liessen sich in der bald wichtigsten französischen Kolonie nieder. So zum Beispiel wurde bei der Volkszählung von 1896 in der Stadt Oran 300.000 Ausländer gezählt. Davon rund 100.000 Spanier und weitere 100.000 Spanier mit französischem Pass. Es wurden mehr Geburten von spanischen Kindern als von französischen Eltern gezählt. Bereits früh in der Geschichte Französisch-Algeriens spielte die hispanische Gemeinschaft eine bedeutende Rolle. Das Hauptziel war die Region Oran. Hier wurden auch Zeitungen und Zeitschriften in spanischer Sprache geschrieben, Theaterstücke in Spanisch aufgeführt und einer der wenigen Plaza de Toros in Afrika wurde in Oran gebaut.

kein fremdes Land
Für die Spanier war Nordafrika nicht nur leicht zu erreichen, sondern auch das Klima und die Beschaffenheit des Bodens ähnelte sich der Heimat. Sie kamen ohne grosse Bedenken auf der Suche nach Arbeit. Dank der an harte Arbeit gewohnten Taglöhner wurde die Landwirtschaft in der Region zum Erfolg. Zu Beginn kamen die Spanier als Taglöhner über das Meer. Nach der Herbstpflanzung in der Heimat wechselten sie in die afrikanische Nachbarschaft, um der winterlichen Arbeitslosigkeit zu entgehen.
Im Juni des Folgejahres kehrten sie zur Ernte in die Heimat zurück. Sie fühlten sich wohl unter Landsleuten und Freunden, fühlten sich in Sicherheit Arbeit zu finden und der kurze Anreiseweg war mit geringen Kosten verbunden.

wir bleiben
Nicht alle Saisonarbeiter kehrten zurück in die Heimat. Viele blieben auf afrikanischem Boden und liessen ihre Familie nachkommen. Sie siedelten sich fest an und verwurzelten sich in der neu ausgewählten Heimat. Vorwiegend waren die früheren Spanier in der Landwirtschaft tätig. Erst im 20. Jahrhundert, als marokkanische Taglöhner sich Richtung Algerien bewegten, wechselten die nun bereits alteingesessenen zu Berufen in der Verwaltung, in kaufmännische Berufen, ins Bauwesen oder zu Bergwerken und Eisenbahn. Die Kinder in zweiter Generation wurden in den französischen Schulen unterrichtet und mischten nicht nur die Sprachen, sondern auch die Gepflogenheiten mit der französischen Kolonie. Über Jahre blieb aber das Spanisch und auch Katalanisch die dominierende Sprache im Westen des Landes. Die spanische Zivilisation blühte in Oran und seiner Region auf. Auf der Halbinsel verbotene Zeitschriften, Zeitungen und sogar Bücher waren in Oran samt ihren Autoren wiederzufinden. Die letzte massive Auswanderung von Spanien fand 1939 zum Ende des spanischen Bürgerkrieges statt. Im April hätten sich im Hafen von Alicante über 2.500 Flüchtlinge Richtung Oran eingeschifft.

heute
Die Namen der einst spanischen Weinkellereien wurden mit Kalkfarbe übermalt, doch mit den Jahren erscheint der spanische Name Gonzalez wieder. Die Plaza de Toros wurde liebevoll renoviert und wartet auf erste Auftritte der Stierkämpfer wie in den guten Jahren. Die spanische Kirche in Oran ist dem Zerfall übergeben, so wie ein grosser Teil des damaligen spanischen Viertels. Hier noch ein spanisches Wappen in Stein gemeisselt, hier noch ein spanischer Name an einem Lebensmittelgeschäft. Wie viele Spanier noch in Oran und Umgebung leben, ist ungewiss, wurden doch viele der Familien damals als Franzosen anerkannt.
Vor dem spanischen Konsulat ist der Platz und die Zufahrtsstrassen abgeriegelt. Eine ständige Polizeiwache eingerichtet. Heute möchten die jungen Algerier nach Spanien als Studenten, als Arbeiter oder einfach mal auf Urlaub. Bei klaren Tagen würde man von der Festung Santa Clara die Küste Almerias sehen, so wie vor Jahren die Spanier sehnsüchtig übers Meer nach Afrika schauten.