El Malah - Algerien
Auf
meiner Reise mit dem Gemeinschaftstaxi von Tlemcen nach Oran ist mir
aufgefallen, dass auf halbem Weg, rund ein Kilometer von der
Hauptstrasse entfernt ein Städtchen auftaucht, welches durch einen
Kirchturm und nicht durch ein Minarett überragt wird. Bei späteren
Nachforschungen entdeckte ich, dass es sich beim heutigen El Malah um
das frühere Städtchen Rio Salado handelt. Der Name, ob auf arabisch
oder spanisch, stammt vom salzigen Fluss, der in den Bergen von
Tessala entspringt, durch die Stadt fliesst, um am Strand von Terga
ins Mittelmeer zu fliessen.
Die
Region wurde bereits unter den Römern "Flumen Salsum" genannt. In
der Nähe fand auch im Jahre 1518 die Schlacht der Türken unter
Barbarossa gegen die Spanier statt. Viele Jahre später liessen sich
die ersten spanischen Kolonisten nieder und erst durch die
Unabhängigkeit Algeriens im Jahre 1962 kam der Ort zum heutigen
arabischen Namen El Malah.
Spanische
Einwanderung in Algerien
Die
Einwanderung aus Spanien erlebte ihren Höhepunkt in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des spanischen
Bürgerkrieges im Jahre 1939. Die spanische Präsenz in Nordafrika
geht jedoch auf die Zeit der Krone von Aragon zurück. Ab dem 15.
Jahrhundert wurden Handelsbeziehungen zwischen der iberischen
Halbinsel und Afrika gepflegt. Die letzten maurischen Flüchtlinge
liessen sich ebenfalls während des 17. Jahrhunderts in der gleichen
Gegend nieder. Bereits während der Reconquista fanden aber
vertriebene Mauren eine neue Heimat, von Tanger bis Tunis, an der
nordafrikanischen Küste.
Bevor der Maghreb eine
Auswanderungsregion wurde, war es ein beliebtes Einwanderungsgebiet
vor allem für Spanier stammenden aus den heutigen Provinzen Almeria,
Alicante und Valencia. Aber auch Italiener und natürlich Franzosen
liessen sich in der bald wichtigsten französischen Kolonie nieder.
So zum Beispiel wurde bei der Volkszählung von 1896 in der Stadt
Oran 300.000 Ausländer gezählt. Davon rund 100.000 Spanier und
weitere 100.000 Spanier mit französischem Pass. Es wurden mehr
Geburten von spanischen Kindern als von französischen Eltern
gezählt. Bereits früh in der Geschichte Französisch-Algeriens
spielte die hispanische Gemeinschaft eine bedeutende Rolle. Das
Hauptziel war die Region Oran. Hier wurden auch Zeitungen und
Zeitschriften in spanischer Sprache geschrieben, Theaterstücke in
Spanisch aufgeführt und einer der wenigen Plaza de Toros in Afrika
wurde in Oran gebaut.
kein fremdes Land
Für die
Spanier war Nordafrika nicht nur leicht zu erreichen, sondern auch
das Klima und die Beschaffenheit des Bodens ähnelte sich der Heimat.
Sie kamen ohne grosse Bedenken auf der Suche nach Arbeit. Dank der an
harte Arbeit gewohnten Taglöhner wurde die Landwirtschaft in der
Region zum Erfolg. Zu Beginn kamen die Spanier als Taglöhner über
das Meer. Nach der Herbstpflanzung in der Heimat wechselten sie in
die afrikanische Nachbarschaft, um der winterlichen Arbeitslosigkeit
zu entgehen.
Im Juni des Folgejahres kehrten sie zur Ernte in die
Heimat zurück. Sie fühlten sich wohl unter Landsleuten und
Freunden, fühlten sich in Sicherheit Arbeit zu finden und der kurze
Anreiseweg war mit geringen Kosten verbunden.
wir bleiben
Nicht alle
Saisonarbeiter kehrten zurück in die Heimat. Viele blieben auf
afrikanischem Boden und liessen ihre Familie nachkommen. Sie
siedelten sich fest an und verwurzelten sich in der neu ausgewählten
Heimat. Vorwiegend waren die früheren Spanier in der Landwirtschaft
tätig. Erst im 20. Jahrhundert, als marokkanische Taglöhner sich
Richtung Algerien bewegten, wechselten die nun bereits
alteingesessenen zu Berufen in der Verwaltung, in kaufmännische
Berufen, ins Bauwesen oder zu Bergwerken und Eisenbahn. Die Kinder in
zweiter Generation wurden in den französischen Schulen unterrichtet
und mischten nicht nur die Sprachen, sondern auch die Gepflogenheiten
mit der französischen Kolonie. Über Jahre blieb aber das Spanisch
und auch Katalanisch die dominierende Sprache im Westen des Landes.
Die spanische Zivilisation blühte in Oran und seiner Region auf. Auf
der Halbinsel verbotene Zeitschriften, Zeitungen und sogar Bücher
waren in Oran samt ihren Autoren wiederzufinden. Die letzte massive
Auswanderung von Spanien fand 1939 zum Ende des spanischen
Bürgerkrieges statt. Im April hätten sich im Hafen von Alicante
über 2.500 Flüchtlinge Richtung Oran eingeschifft.
heute
Die
Namen der einst spanischen Weinkellereien wurden mit Kalkfarbe
übermalt, doch mit den Jahren erscheint der spanische Name Gonzalez
wieder. Die Plaza de Toros wurde liebevoll renoviert und wartet auf
erste Auftritte der Stierkämpfer wie in den guten Jahren. Die
spanische Kirche in Oran ist dem Zerfall übergeben, so wie ein
grosser Teil des damaligen spanischen Viertels. Hier noch ein
spanisches Wappen in Stein gemeisselt, hier noch ein spanischer Name
an einem Lebensmittelgeschäft. Wie viele Spanier noch in Oran und
Umgebung leben, ist ungewiss, wurden doch viele der Familien damals
als Franzosen anerkannt.
Vor dem spanischen Konsulat ist der
Platz und die Zufahrtsstrassen abgeriegelt. Eine ständige
Polizeiwache eingerichtet. Heute möchten die jungen Algerier nach
Spanien als Studenten, als Arbeiter oder einfach mal auf Urlaub. Bei
klaren Tagen würde man von der Festung Santa Clara die Küste
Almerias sehen, so wie vor Jahren die Spanier sehnsüchtig übers
Meer nach Afrika schauten.