Grenze

21.01.2025

Nach zwei wettermässig durchzogenen Tagen in Annaba hält uns nichts mehr in der alten Stadt Bône, wo sich die Franzosen das Paradies auf Erden vorgestellt haben. Wir nehmen die Strasse näher am Meer und nicht die Autobahn nach El Kala, dem letzten grösseren algerischen Ort vor der Grenze zu Tunesien. Vorbei am Flughafen, an einem Dorf, das wohl vom Verkauf von Baumaterialien aller Art lebt, und an unzähligen toten Polizisten kommen wir durch den Nationalpark von El Kala. Vogelbeobachter finden hier eine kleine Ode an die hier überwinternden Vogelarten. Viel Wasser, Sümpfe und grüne Wiesen durchqueren wir.

Wir umfahren die Stadt auf der neu gebauten Umgehungsstrasse. Hier endet auch die A2, die Ost-West-Autobahn und der letzte Ort vor der Grenze, Souarekh wartet am Strassenrand mit Geldwechsel und der letzten Tankstelle vor der Grenze. In Algerien kostet der Liter Diesel rund 15 Cent, in Tunesien dann schon 75 Cent Euro. Das belebt auch den Grenzverkehr und billiger Diesel wird zweimal täglich im eigenen Tank über die Grenze gefahren und an den Strassen zu einem mittleren Preis verkauft. Wir hofften noch auf eine Tankstelle bei der Umfahrung von El Kala, aber weit gefehlt, man hätte in den Ort hineinfahren müssen. Die Tankstelle ca. 7 km vor der Grenze ist bereits von tunesischen und einheimischen Fahrzeugen belagert. Irgendwie verstehe ich die Schlange nicht und so dränge ich mich fünf Fahrzeuge hinter die Zapfsäulen wartend in die Reihe. Niemand sagt etwas, der Tankstellenchef redet freundlich auf uns ein. Der Mercedes vor uns tankt schon eine Ewigkeit, ob der wohl den Tank vergrössert hat? Weit gefehlt, als ich neugierig auf die Anzeige der Zapfsäule schaue, sind es nur die üblichen 45 Liter. Als ich selbst tanke, wird mir klar, warum es so lange dauert. Es gibt immer wieder Stromausfälle und die Uhren stehen still, laufen dann aber von alleine weiter. Die Tankwarte sind hier nur zum Kassieren da, keiner hilft. Nach einer guten halben Stunde verlassen wir die Tankstelle. Der Ort ist wie jeder Grenzort. Gekauft wird auf algerischem Boden, was hier noch billiger ist als in Tunesien. Da wir erstens fast keine Dinar mehr haben und zweitens nichts brauchen, fahren wir die kurvenreiche Bergstrasse hinauf zur Grenze.

An der Grenze angekommen eine erste Kontrolle der Pässe und Fahrzeugpapiere, vor allem ob alle Zollpapiere, die wir damals im Hafen erhalten haben, noch da sind. Dann geht es weiter zur eigentlichen Passkontrolle. Viele Schalter, die man direkt mit dem Auto anfahren kann, sind geöffnet, aber es geht nicht weiter. Denn direkt hinter der Passkontrolle ist der Zoll und dieses Nadelöhr hat nur zwei Kontrollstellen für Fahrzeuge und Fussgänger. Ja, es gibt auch Fussgänger. Die werden auf der algerischen Seite hochgefahren, dann geht es zu Fuss mit den eingekauften Waren durch die Kontrollen und auf der anderen Seite wartet der tunesische Freund mit seinem Fahrzeug und fährt die Leute runter nach Tabarka.
Der Fahrer vor mir steigt aus und geht die 50 Meter zur Kontrollstelle, ich folge ihm. Ohne Probleme werden die Pässe kontrolliert und die Ausreise abgestempelt. Etwas länger dauert die Prozedur für den Fahrer des Autos, denn er muss noch alle Daten des Autos eingeben und dann noch ein Formular ausfüllen, das es nur auf Arabisch gibt. Da ich kein Arabisch lesen und schreiben kann, muss der Polizist wohl oder übel das Formular für mich ausfüllen und abstempeln.
Dann gehe ich weiter und schaue mir die Zollabfertigung an. Es handelt sich um eine Doppelgarage, knapp 2 Meter hoch. Mein Peugeot J9 misst 2,60 Meter! Dort steht auch ein älterer Zollbeamter mit Nadelstreifen an der Hose. Ich grüsse ihn freundlich und erkläre ihm, dass ich durch das Gebäude nicht durchkomme, was er sofort versteht und die Lösung ist so nah. Ich fahre über den Parkplatz rechts an allen wartenden Ausreisenden vorbei und darf rechts neben der Zollgarage bei den Drogenhunden warten. Der freundliche Zöllner kommt auch gleich zu unserem Fahrzeug und ich übergebe ihm alle meine Papiere. Pro ausreisende Person werden 1000 Dinar und für das Fahrzeug 500 Dinar fällig. Alle meine Papiere und das Geld werden einer Zöllnerin übergeben, die verschwindet. In der Zwischenzeit kommt einer im Blaumann, schaut sich den Peugeot J9 nur an und meint, das sei für ihn ein Lieferwagen und kein Wohnmobil, der hätte nicht mal eine Seitentür und nur ein Fenster an der Seite. Aber, warten wir auf den Chef. Und der Chef, mein alter freundlicher Kollege, kommt auch gleich mit meinen Akten und dem Rückgeld zurück, meint alles sei in Ordnung, fährt seinen VW Golf, der mir den Weg nach Tunesien versperrt, weg und verabschiedet sich freundlich. Nach ein paar Metern die letzte algerische Kontrolle und gleich danach der erste tunesische Beamte, der uns bittet zu parken, Einreisepapiere aushändigt und uns bittet zu Fuss zum Zollgebäude zu gehen. Dort wird die Einreise durchgeführt, Passfoto und rechter Zeigefinger mit den biometrischen Daten im Pass verglichen und ein weiterer Stempel in den Pass gedrückt. Im nächsten Raum ist eine Zöllnerin, die den Pass des Fahrers, die Fahrzeugpapiere und die Versicherung mit Deckung Tunesien sehen möchte. Die Versicherung kann auch auf der App der entsprechenden Versicherung gezeigt werden. Die notwendigen Daten werden in den Computer eingegeben und ich erhalte das provisorische, drei Monate gültige Einreisepapier für den Peugeot. Wer keine für Tunesien gültige Versicherung vorweisen kann, bekommt diese im Versicherungsbüro gegenüber, für eine Woche werden ca. 30 Euro fällig. Bezahlt wird in Dinar, wer keine hat, kann im Reisebüro etwas weiter unten Geld wechseln, die zwei vorhandenen Geldautomaten funktionieren nicht.
Mit dem Auto fahren wir an einem hochmodernen Scanner vorbei, dann werden Pässe und Fahrzeugpapiere kontrolliert und ins Auto geschaut. Willkommen in Tunesien! Vorbei an geschlossenen Banken, defekten Geldautomaten und dem geöffneten Reisebüro noch eine letzte Kontrolle und nach rund drei Stunden sind wir wirklich in Tunesien.

So wie wir den Berg zur Grenze hinaufgefahren sind, geht es jetzt wieder den Berg hinunter. Die Landschaft ist dieselbe, die Kühe, die am Strassenrand grasen, sind auf beiden Seiten der Grenze gleich. 14 Kilometer trennen uns von unserem Tagesziel Tabarka. Auf halber Strecke noch eine Polizeikontrolle. Die Bucht von Tabarka liegt unter uns und bald fahren wir durch den Ort zum Hafen. Der Hafenmeister weist uns einen Platz neben der Eisfabrik zu, gibt uns Strom und zeigt uns, wo wir frisches Wasser zapfen können. Die Nacht kostet 25 Dinar inklusive Strom. Er führt uns zur Polizei am Hafeneingang, wo wir uns registrieren lassen. Dann zeigt er uns, wo die Bank ist und wir ziehen Dinar. Je nach Geldautomat ist die Ausgabe auf 300, 500 oder 800 Dinar begrenzt. Nur die Gebühr von 10 Dinar pro Abhebung ist immer gleich. Kurz vor Ladenschluss kaufen wir noch eine SIM-Karte bei Orange, 30 GB für 30 Dinar plus 5 Dinar für die SIM-Karte. Damit sind wir wieder unter Menschen, haben Geld und Netz und ab ins Restaurant, endlich etwas Warmes für den Magen.