Ibn Battuta
Während meines Studiums der Kreuzzüge stiess ich erneut auf den Namen des arabischen Reisenden Ibn Battuta aus dem 14. Jahrhundert. Ich wusste, dass ich seine Reiseberichte "A través del Islam" in spanischer Sprache gekauft hatte, konnte das Buch aber nicht mehr unter meinen finden, da ich es wohl vor Jahren meinem Sohn Martin gegeben hatte. Nun habe ich es bei ihm wiedergefunden und kann mich endlich durch die über 800 Seiten plus Anhang lesen.
Abū
Abdallāh Muhammad Ibn Battūta wurde am 24. Februar 1304 in Tanger
im Norden des heutigen Marokkos geboren. Er starb ebenfalls in
Marokko, wobei das genaue Todesjahr zwischen 1368 und 1377 schwankt.
Ibn Battuta lehrte islamisches Recht. Als Sohn einer wohlhabenden
Familie konnte er sich bereits im Alter von 21 Jahren auf die Pflicht
jedes Muslims berufen und die Pilgerreise nach Mekka antreten.
Er
verliess seine Vaterstadt am 13. Juni 1325 und wanderte auf dem
Landweg der nordafrikanischen Küste entlang bis nach Alexandria. Von
dort aus versuchte er, über das Rote Meer auf die Arabische
Halbinsel zu gelangen. Aufgrund von Kriegen musste er jedoch nach
Kairo zurückkehren und den Weg über den Nahen Osten bis nach
Damaskus nehmen, von wo aus jährlich mehrere Karawanen nach Mekka
zogen.
Nach seiner ersten Pilgerfahrt verliess er den heiligen Ort im
November 1326 in Richtung Tabriz, Kurdistan und Bagdad. Von Persien
aus kehrte er für seine zweite Pilgerreise nach Mekka zurück, wo er
drei Jahre lang blieb. Danach reiste er in den Süden der Halbinsel,
in den Jemen, bis nach Aden. Die Rückreise führte ihn über den
Oman erneut nach Mekka. Diesmal konnte er über Ägypten ans
Mittelmeer zurückkehren, doch er wollte noch nicht in den Maghreb
zurück, sondern reiste über Syrien und Anatolien ins mediterrane
Russland bis nach Konstantinopel. Das war das erste Mal auf seiner
Reise, dass er sich in einer von Christen regierten Stadt aufhielt.
Von dort aus zog es ihn weiter Richtung Südosten durch Transoxanien
und Afghanistan bis nach Indien, wo er gemäss seinen eigenen Angaben
am 13. September 1333 ankam und für zehn Jahre blieb.
Von hier aus besuchte er Ceylon (heute Sri Lanka), Bengalen, Assam und Sumatra. Aus seinen Berichten wissen wir, dass er sich im Frühjahr 1347 in Malaba aufhielt und über den Golf von Bagdad und Syrien nach Ägypten zurückkehrte. Vor seiner Rückreise unternahm er seine vierte Pilgerreise. Von Alexandria aus brachte ihn ein Handelsschiff im Jahr 1349 in den Hafen von Tunis. Von dort aus unternahm er einen Abstecher nach Sardinien, das damals zur Krone von Aragonien gehörte. Von dort aus reiste er zurück nach Afrika und gelangte schliesslich im November 1349 über Algerien an den Hof des Sultans in Fez. Von seiner fast 25 Jahre dauernden Reise gab es viel zu erzählen. Von Fez aus unternahm er eine Reise in das Sultanat von Granada und eine weitere führte ihn in das subsaharische Reich von Mali.
Mancher wird sich heute fragen, wie sich ein junger Mann eine Reise von über 20 Jahren finanzieren konnte. Die Antwort könnte der eines modernen Caravan-Nomaden gleichen, der ins 14. Jahrhundert zurückversetzt wurde. Die Arbeit war jedoch nicht online, sondern interessierten sich wo auch immer der Reisende weilte nicht nur die einfachen Einwohner für seine Erzählungen, sondern vor allem auch die Herrscher seine detaillierten Berichte. Sie wollten wissen, wie das tägliche Leben in einer Stadt abläuft, die kilometerweit entfernt liegt und die sie dem Namen nach kannten, aber noch nie besucht hatten. Ist die Umgebung dieser Stadt wirklich so fruchtbar, wie man erzählt, und gibt es dort Flüsse, die das ganze Jahr Wasser führen? Herrscht dort Frieden oder Krieg? Erzählungen aus unbekannten Welten waren nicht nur an Lagerfeuern, sondern auch bei reichen Kaufleuten und Bürgermeistern am Tisch interessant. In der Stadt auf der Reiseroute des Pilgers gab es einen Bekannten, dem man schon lange etwas übergeben wollte. Da kam der Reisende als Bote gerade recht. Zudem studierte Ibn Battuta islamisches Recht, weshalb sein Wissen und seine Meinungen gefragt war.
Bei den Reisen arabisch-muslimischer Reisender kam ein weiterer wichtiger Faktor hinzu: die gemeinsame Religion. Wir dürfen nicht vergessen: Ibn Battuta war auf Pilgerreise zu den heiligen Stätten des Islams. Überall, wo er rastete, wurde in einer Sprache gebetet, die alle kannten, wenn auch viele nicht verstanden. Die Religion war schon damals ein wichtiges Gesprächsthema, und der Islam sowie die weiteren Weltreligionen sind bis heute regional durch Bräuche geprägt, die gewisse zweitrangige Aspekte der Religion anders handhaben lassen. Dies waren Aspekte, die interessierten, und Religionen bildeten schon immer ein interessantes Diskussionsthema. Die Auslegung einzelner Suren konnte zu heftigen Diskussionen führen. Ein starkes Gemeinschaftsgefühl mit anderen Gläubigen aus aller Welt prägte das Schicksal der Reisenden. Dies ist sicher auch ein Grund, dass die Reisen von Ibn Battuta mehrmals über Mekka führten und so er fast immer als Pilger galt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der von der Entstehung des Islams bis weit ins 17. Jahrhundert reichte, war die Gastfreundschaft, die Pilgern entgegengebracht wurde. Diese arabische Gastfreundschaft bereitet uns Europäern auf Reisen durch islamisch-arabisch geprägte Länder noch heute Schwierigkeiten. Sie stammt aus der vorislamischen Zeit und wurde durch die Religion verstärkt. Pilger wurden sowohl bei einfachen Nomaden als auch bei reichen Bauern und Städtern gerne aufgenommen. Sie wurden verpflegt, fanden eine Ruhestätte und erhielten gute Ratschläge für den folgenden Reiseabschnitt. An den Hauptstrecken der Pilgerrouten entstanden Klöster, Pilgerhäuser und öffentliche Unterkünfte, die es den Pilgern ermöglichten, ihre Pilgerreise ohne grosse Kosten zu unternehmen.
Informationen, Meinungen, Wissen, Urteilsvermögen, Botendienste und Unterhaltung verhalfen den Reisenden, vor allem den Pilgern, zu einer preiswerten Reise.
Die
Reisen von Ibn Battuta wurden nicht von ihm selbst verfasst, sondern
erst etwa 30 Jahre später von
Ibn Yuzayy, einem Gelehrten aus
Granada. Der Reisende verfügte nur über sehr wenige eigene
Aufzeichnungen. Wahrscheinlich diktierte er seine Reisen aus dem
Gedächtnis. Dabei liess sich der Schreiber nicht nur dazu verleiten,
etwas Ordnung in die Gegebenheiten zu bringen, sondern auch seine
Vorliebe für Gedichte auszuleben. Der gesamte Reisebericht musste so
abgefasst werden, dass sich die Lesenden nicht nur zurechtfanden,
sondern auch vom Gelesenen gefangen wurden und sich die unbekannten
Welten bildlich vorstellen konnten. Alle in den Reiseberichten
erwähnten Orte hatte Ibn Battuta besucht. Vielleicht hatte er einen
Ort nicht genau so erlebt, wie er ihn beschrieb, oder er fasste das
Erlebte zusammen, wenn er einen Ort mehrmals besucht hatte.
Um alle Jahreszeiten und Feste eines bestimmten Ortes mitzuerleben, müsste ein Reisender wenigstens ein Jahr dort leben. Das konnte sich auch ein Reisender wie Ibn Battuta nicht leisten, sodass in seine Berichte auch Gegebenheiten einflossen, von denen er vor Ort wohl gehört hatte, die er aber nicht selbst erleben durfte.
Man kann es sich so vorstellen, dass ein Reisender heute in Sevilla, Andalusien, im Herbst keine Osterwoche miterleben kann, dank einfühlsamer Berichte eines örtlichen Reiseführers aber in der Lage ist, sich diese spezielle Karwoche vorzustellen, da er ja in den Gassen von Sevilla wandelt und diese Eindrücke, die er nur vom Hörensagen kennt, dann zu Hause wie einen Teil seiner Reise wiedergeben kann.
Ibn Battutas Vorlieben galten neben dem Leben der islamischen Religion vor allem der Natur, dem Handwerk sowie persönlich der Musik und dem Tanz.
Während seiner Reisen nutzte er die damals geltende arabisch-muslimische Gastfreundschaft. Diese schrieb dem Gastgeber vor, einen Reisenden drei Tage zu bewirten, und dem Gast, die Gastfreundschaft nicht über diese drei Tage auszureizen. Es galt auch als unhöflich, nur zwei Tage zu bleiben.
Die Einleitung der Verfasser des Reiseberichts "A Través del Islam", erschienen 1987 in Alianza Editorial, ist vergriffen und nur noch gebraucht für ca. 40 € erhältlich. Eine zweite Auflage erschien 1993, ebenfalls vergriffen. Die Einleitung umfasst knapp 100 Seiten und enthält erste wichtige Hinweise, die den Leser Schritt für Schritt ins 14. Jahrhundert führen, in die Zeit, in der Ibn Battuta seine fast 25 Jahre dauernde Pilgerreise unternahm.
Wenn
du einem Reisenden begegnest, hilf ihm.
Es
wird der Tag kommen, an dem auch du ein Fremder sein wirst.
(Marokkanisches
Sprichwort)
