Kairouan
Die
Fahrt nach Kairouan, dem religiösen Zentrum Tunesiens, führt durch
grüne Hügellandschaften. Nach einer abwechslungsreichen Fahrt
taucht die Stadt wie eine Fata Morgana vor uns auf. Die Stadt ist
belebt, voller Menschen und Fahrzeuge, darunter auch Eselskarren. Am
Strassenrand wird gehandelt und gefeilscht. Die malerische Medina ist
vollständig von einer 3,5 km langen Stadtmauer aus braunen
Lehmziegeln umgeben. Als religiöses Zentrum mit 300 Moscheen und
zahlreichen Marabuts gilt Kairouan als viertheiligste Stadt des
Islam. Im 7. Jahrhundert drang Okba Ibn Nafi mit seinem Gefolge in
den Maghreb vor, um den neuen Glauben auch ausserhalb der arabischen
Halbinsel zu verbreiten. Der Legende nach soll er einen Speer in den
Boden gerammt haben, aus dem eine Quelle entsprang, die mit dem
heiligen Brunnen in Mekka in Verbindung stehen soll. Dies erschien
als göttliches Zeichen und somit als Ursprung einer der wichtigsten
Städte des islamischen Glaubens.
Bis zur französischen Invasion im
19. Jahrhundert durfte kein Ungläubiger die Stadt betreten.
Heute zählt Kairouan mit der Neustadt über 100.000 Einwohner. Neben der Landwirtschaft, den traditionellen Gewerben wie Seiden- und Deckenweberei, Lederherstellung und Teppichknüpferei hat sich der Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt.
Die Zufahrtsstrasse und die Fusswege führen direkt zum grossen Parkplatz am Bab El Jeladin, dem Tor der Gepeitschten. Hinter dem Tor beginnt eine breite Gasse mit unzähligen Souvenir- und Teppichläden, die an verschiedenen Monumenten vorbei zum eigentlichen Marktplatz führt. Besonders malerisch ist das Bild am Montag, wenn der Wochenmarkt stattfindet. Aus den umliegenden Dörfern und Weilern kommen Berberfrauen in ihren traditionellen weiten rotkarierten Gewändern und mit Silberschmuck behängt, um einzukaufen und zu tratschen. Die Verkäufer grüssen freundlich, fragen nach dem Woher, sind aber nicht aufdringlich. Reiseführer versuchen uns den direkten Weg zur Moschee zu zeigen, doch wir wollen einfach nur durch die Medina schlendern und so sieht man zufällig und oft von einer anderen Seite die verschiedensten Sehenswürdigkeiten der Altstadt. Dass gleich eine Sehenswürdigkeit um die Ecke wartet merkt man an den Verkaufsständen mit Souvenirs.
Bevor man zur Hauptmoschee kommt, sollte man in der Altstadt das Mausoleum der Zaouia Sidi Abid El Ghariana besichtigen, ein prächtiges Gebäude aus dem 14. Jahrhundert. Ein braunes Backsteinhaus beherbergt den legendären Brunnen Bir Barouta. Das heilige Wasser ist sauber, angenehm kühl, schmeckt köstlich und soll heilende Kräfte haben.
Sehenswert
ist auch die Drei Tore Moschee von Muhammad Ibn Chairun mit ihrer
dekorativen Fassade.
Mit ihren antiken Ornamenten und arabischen
Inschriften, Suren aus dem Koran, nimmt sie eine Sonderstellung in
der islamischen Architektur ein. Dieselbe Sure findet sich übrigens
auch in der Moschee von Córdoba in Andalusien. Vieles in Kairouan
scheint den Herrschern von Córdoba als Vorbild gedient zu haben.
Durch labyrinthartige Gassen gelangt man zur Grossen Moschee, Sidi Okba Ibn Nafi. Der Besucher darf den riesigen Innenhof nur in angemessener Kleidung betreten. Von dort hat man aber einen schönen Blick in den imposanten Gebetssaal mit über 400 Marmorsäulen, die in syrisch-omayadischer Tradition mit kostbaren Bagdader Lüsterfliesen verziert sind. Im Hof steht auf einer Plattform eine Sonnenuhr, die die fünf täglichen Gebetszeiten anzeigt. Eintritt 12 Dinar.
Direkt hinter der Moschee befindet sich ein kleiner Friedhof mit weissen Grabsteinen. Die letzte Ruhestätte ist den Mitgliedern des Sidi Aissa Ordens vorbehalten, Nachfahren der Idrissiden und damit des Propheten Mohammed.
Wir gehen durch die Gasse der Sieben Ecken zurück in die Neustadt. In der Altstadt gibt es mehrere Moscheen, einige ohne Minarett. Einige sind nur dem Namen nach bekannt und werden nur von den Bewohnern des angrenzenden Viertels zu den Gebetszeiten besucht. In der Ortsgeschichte werden bis zu 30 Gebetshäuser erwähnt, deren Ursprünge bis ins 11. Die wohl älteste Moschee ist die Al Ansar aus dem Jahr 667, die 1650 renoviert und umgebaut wurde. Leider verdecken die unzähligen Geschäfte mit ihren bunten Auslagen die Fassaden so mancher architektonischen Pracht vergangener Jahrhunderte. Im Januar und bei Sonnenuntergang sind viele dieser Läden mangels Kundschaft bereits geschlossen und es öffnen sich wunderschöne Ecken, die tagsüber im Trubel verborgen blieben.