Kattowitz
Der
Wizz Air Flieger aus Alicante ist voll mit polnischen Touristen, die
vor dem heimischen Winter noch etwas Sonne im Süden Spaniens tanken
wollten. Das war auch nötig, denn bei der Landung lag links und
rechts der Piste Schnee und aus den knapp 20 °C an der Costa Dorada
wurden Minustemperaturen.
Der neue Flughafen von Katowice liegt knapp
vierzig Kilometer ausserhalb der Stadt. Der Bolt-Fahrer führt mich
über Landstrassen bis zur nahen Autobahn. Die Strassen sind frei,
links und rechts liegt Schnee.
Die Bäume sind verschneit. Herrlich,
es ist endlich Winter! Je näher wir der Stadt kommen, desto weniger
Schnee liegt auf und neben der Strasse. Es ist gleich Mitternacht,
die Stadt scheint ausgestorben.
Ich steige vor dem Hotel ab und gehe
erst einmal schlafen.
Kattowitz
liegt auf beiden Seiten der Eisenbahnstrecke, durch die wichtige
Strecken des polnischen Staatsbahnnetzes (PKP) verlaufen. Diese
verbinden die Region Schlesien und werden auch von internationalen
Zügen, zum Beispiel nach Deutschland und Tschechien, genutzt. Die
Altstadt liegt auf der anderen Seite der Schienen. Also suche ich
meinen Weg durch die Kälte. An den Bahnlinien und Unterführungen
wird gearbeitet. Der alte Bahnhof wurde renoviert und der neue etwas
weiter nach Osten versetzt und ist nun eher ein riesiges
Einkaufszentrum mit einem Bahnhof als umgekehrt. Wenn es jedoch so
kalt und unfreundlich ist, lohnen sich die Abkürzungen durch die
Mall. Ein grosser Teil der Altstadt ist autofrei. Nur die
Strassenbahn fährt durch die Strassen. Der Weihnachtsmarkt auf dem
Marktplatz ist bereits eröffnet. Da muss ich abends, wenn es dunkel
ist, noch einmal hin. An der Infostelle für Besucher gibt es zwar
einen Informationsschalter, der ist aber nicht besetzt, und die
Person weiter hinten, die sich hinter einem Bildschirm versteckt,
scheint nicht für Auskünfte zuständig zu sein. Ich nehme mir einen
Stadtplan und schlendere weiter durch die Stadt. Hinter der Altstadt
schiessen moderne Hochhäuser in den Himmel. Hier haben Banken,
Versicherungen und weitere internationale Firmen ihren Sitz.
Internationale Lichtreklamen leuchten von den Dächern, und nun fängt
es auch schon an zu regnen.
Da es Mittagszeit ist, suche ich ein
Restaurant. Es gibt vor allem asiatische Läden und Pizzerien.
Am
Stadteingang habe ich irgendwo zwei Restaurants gesehen, die wohl
auch polnische Küche anbieten. Ich entscheide mich für das
Restaurant rechts und wenn ich morgen nichts anderes finde, gehe ich
in den Laden links davon. Ja, es gibt polnische Küche, und die
Speisekarte ist sogar auf Englisch. Doch ich bin der einzige
Ausländer unter vielen Polen. Ich bestelle eine Rote-Bete-Suppe mit
Kroketten und dann einen Fleischvogel mit Knödeln. Dazu trinke ich
Wasser und einen georgischen Wein. Beim polnischen Wein kann man den
weissen trinken, der rote ist reiner Essig. Das Glas ist mit etwa 4
Euro zwar nicht günstig, doch später, in anderen Restaurants, wird
es noch teurer, bis zu 9 Euro. Ich fühle mich bei diesen Preisen wie
in der Schweiz. Dagegen ist das Essen preiswert.
Der Regen wird stärker, also kehre ich ins Hotel zurück, um mich etwas auszuruhen und mich mit der Geschichte Katowice zu beschäftigen.
Katowice ist die Hauptstadt der polnischen Woiwodschaft Schlesien. Die Stadt zählt knapp 300.000 Einwohner. Die Stadt liegt rund 80 km westnordwestlich von Krakau im Oberschlesischen Industrierevier und ist das Zentrum der Metropolregion Silesia, in der je nach Definition zwischen 2,5 und 5 Millionen Menschen leben. In der Gegend existieren reichhaltige Kohle- und Erzlagerstätten. Katowice ist ein wichtiger und florierender Wirtschaftsstandort, wobei die wirtschaftliche Bedeutung der Bergwerke und Schwerindustrie zugunsten der Dienstleistungsbranche, Elektroindustrie und Informationsfirmen immer mehr abnimmt.
Katowice gehörte in der neueren Geschichte ab 1742 zu Preussen und entwickelte sich im Gefolge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert vom unbedeutenden schlesischen Dorf zu einer Industriestadt. Ab 1871 war die Stadt Teil des Deutschen Kaiserreichs und fiel nach dem Versailler Vertrag mit der Teilung Oberschlesiens im Jahr 1921 an Polen. Während der Zweiten Polnischen Republik von 1922 bis 1939 war Kattowitz die Hauptstadt der Autonomen Woiwodschaft Schlesien. Nach der deutschen Besetzung im Jahr 1939 wurde die Stadt 1941 Hauptstadt des Gaus Oberschlesien und war anschliessend in der Volksrepublik Polen wieder Hauptstadt der Woiwodschaft. Von 1953 bis 1956 trug die Stadt den Namen Stalinogród.
Es
regnet immer noch, aber ich möchte trotzdem einen kleinen
Spaziergang machen und
etwas Kleines zu Abend essen.
An
meinem zweiten Tag in Katowice hat es aufgehört zu regnen – es
schneit!
Nach dem Frühstück stampfe ich durch den immer dichter
werdenden Schnee Richtung Schlesisches Museum. Zunächst führt mich
mein Weg durch die neue Altstadt auf der Seite meines Hotels. Ich
besichtige die Kathedrale, die Radiostation und die imposanten
Regierungsgebäude aus der Zeit der UdSSR. Eine sich im Bau
befindliche Unterführung bringt mich wieder in die äussere Altstadt
und von dort durch das Universitätsviertel zur Umfahrungsstrasse.
Auf der anderen Seite liegt das Museum auf dem Gelände eines alten
Bergwerks.
Ich wandere als Erster durch den Neuschnee bis zum
Eingang. Im Museum ist es ruhig.
Eine kleinere Gruppe und eine
grössere Schülergruppe lassen sich durch das Museum führen. Ich
hänge meinen Mantel an der Garderobe auf und wandere, die Gruppen
meidend, durch die verschiedenen Ausstellungen.
Das Museum beherbergt eine Gemäldegalerie mit polnischer Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus ist das Museum Ort verschiedener Wanderausstellungen. Die wichtigste Dauerausstellung behandelt anhand zahlreicher bebilderter Stellwände, originaler Dokumente und ethnologischer Ausstattungsstücke die Geschichte der Stadt von 1299 bis 1990 und es lohnt sich, diesen Teil des Museums mindestens zweimal zu durchwandern.
Als ich nach mehreren Stunden das vielseitige und interessante Museum verlasse, schneit es immer noch. Zurück in der Altstadt besuche ich ein zweites Restaurant, das sehr günstig ist. Es gibt keine Bedienung, man bestellt und bezahlt sofort alles an der Theke. Eine herrliche Knoblauchsuppe wärmt mich wieder auf. Danach gönne ich mir die gewohnte Siesta im Hotel und am Abend steht der geplante Spaziergang durch den Weihnachtsmarkt auf dem Programm. Ein Glühwein und eine polnische Wurst mit Brot und viel Senf dürfen dabei nicht fehlen. Es ist die zweite und zugleich letzte Nacht in Kattowitz. Es hat sich gelohnt, auch wenn die Stadt den Besuchern nicht allzu viel zu bieten hat. Sie ist aber sicher ein guter Einstieg, bevor es weiter nach Krakau und später nach Warschau geht.