Krakau
Ich
hatte das Bahnticket von Kattowitz nach Krakau bereits am ersten Tag
gelöst. Die polnischen Eisenbahnen (PKP) sind gut besucht und viele Züge
sind frühzeitig ausgebucht. Beim Kauf des Tickets wird auch gleich
ein Sitzplatz zugeteilt. Auch heute, kurz vor Mittag, warten viele
Menschen auf den einfahrenden Zug, und kein Sitzplatz bleibt frei.
Der Zug fährt auf die Sekunde genau ab und erreicht Krakau mit
weniger als zwei Minuten Verspätung. Der Schaffner entschuldigt sich
mehrmals für die Verspätung. Die frei werdenden Plätze in Krakau
sind im Handumdrehen von neuen Fahrgästen besetzt.
Der Bahnhof von
Krakau ist grösser, doch auch hier ist eine Einkaufspassage
angegliedert.
Meine Unterkunft befindet sich nur wenige Gehminuten
vom Bahnhof entfernt.
Die südpolnische Stadt Krakau, unweit der Grenze zur Tschechischen Republik gelegen, ist für ihren gut erhaltenen mittelalterlichen Stadtkern und ihr jüdisches Viertel bekannt. Mittelpunkt der von dem Parkring Planty und Überresten der mittelalterlichen Stadtmauer eingeschlossenen Altstadt ist der imposante Marktplatz Rynek Główny. Hier befinden sich die Tuchhallen, ein Handelszentrum aus der Renaissance, sowie die gotische Marien Basilika aus dem 14. Jahrhundert.
Krakau, die zweitgrösste Stadt des Landes mit knapp einer Million Einwohner, steht seit 1978 auf der Liste des UNESCO-Welterbes und trägt seit 2013 den Titel UNESCO-Literaturstadt. Ich wollte glauben, dass es Ende November keine Besucher mehr nach Krakau zieht, doch ich habe mich getäuscht. Die Stadt leidet unter Übertourismus. Vor allem höre ich viel Spanisch und slawische Sprachen. Viele Billigflieger haben Krakau im Programm und die preiswerten Flüge werden zu dieser Jahreszeit gerne von jungen Reisenden genutzt.
Trotz der vielen Besucher lohnt sich ein Besuch der Altstadt und der Burganlage. Im Gänsemarsch schreiten wir zum Burghügel. Wenn ich mir vorstelle, was hier im Sommer los ist, bin ich froh über den kalten Wind, der durch die geschichtsträchtigen Mauern weht.
Die Geschichte der Stadt reicht bis ins frühe Mittelalter zurück. Am Ende des Ersten Weltkriegs wurde auch Krakau Teil des wiedererstarkten polnischen Staates. Im Jahr 1921 hatte die Stadt weniger als 200.000 Einwohner. Doch Krakau entwickelte sich sehr schnell und gehörte neben Warschau und Lemberg, das heute Lwiw in der Ukraine ist, zu den wichtigsten kulturellen Zentren Polens. Viele wichtige Gebäude wurden nordwestlich und ausserhalb der Altstadt erbaut.
Der
Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit dem Überfall auf
Polen. Bereits fünf Tage später besetzten Soldaten der deutschen
Wehrmacht Krakau kampflos. Erst als die Sowjetunion im Januar 1945
auf Krakau vorrückte, verliessen die Deutschen die nahezu
unzerstörte Stadt. In der unmittelbaren Nachbarschaft wurde das
damals grösste Stahlwerk der Welt und die sozialistische
Trabantenstadt
Nowa Huta, Neue Hütte, errichtet.
Ich durchwanderte die Altstadt kreuz und quer. Ich schlenderte durch alle Gassen und durch die Markthalle. Ich betrat die Stadt durch das noch bestehende Stadttor, streifte die Reste der Stadtmauer entlang und flanierte durch die weitläufigen Gärten bis hin zum Burghügel. Ich erklomm diesen mit weiteren unzähligen Touristen und freute mich an der Aussenfassade der Kathedrale mit ihren Erkern und Türmchen. Doch die Stadt konnte mich nicht begeistern. Ich schoss unzählige Fotos von den einzigartigen, fast ausnahmslos restaurierten Gebäuden. Doch die weiten Gassen und Strassen wollten mich nicht aufnehmen. Die Häuser, hinter deren Fassaden sich internationale Boutiquen, Cafés und Fast-Food-Läden versteckten, liessen mich innerlich kalt. Die Eingänge zu den Luxushotels sind nicht meine Welt, sodass ich mich nach dem wahren Krakau sehnte. Spuren davon fand ich auf dem Markt Stary Kleparz und im Viertel Kazimierz.
Krakau muss man gesehen haben, das Leben in Krakau kann man jedoch nicht erwarten. Ich sehne mich nach der Altstadt von Warschau, wo ich meine letzten Tage in Polen verbringen werde.