Kreuzzüge Einleitung
Kreuzzüge Einleitung
In den vergangenen Wochen und Monaten war im Weltgeschehen viel von Palästina zu lesen und zu hören. Übrigens ist Palästina kein arabisches Wort, denn das Arabische kennt kein "P". Die Araber nennen dieses Land im Nahen Osten Filastin, فلسطين
Wer
in Geschichte aufgepasst hat, erinnert sich vielleicht auch an die
christlichen Kreuzfahrer, die im
11. und 12. Jahrhundert versuchten,
die Heilige Stadt Jerusalem aus den Händen der Ungläubigen zu
befreien. Die Geschichte des heutigen Konflikts im Nahen Osten hat
nur wenig mit den damaligen Kreuzzügen zu tun. Doch werden dem Leser
einige Parallelen auffallen und er wird verstehen, dass sich in den
vergangenen 1000 Jahren in der Weltgeschichte nicht viel geändert
hat. Lug und Trug, Sticheleien und falsche Informationen wurden
bereits damals von Papst Urban II. im späten November 1095 in seiner
Predigt bei Clermont in Frankreich genutzt.
In früher Zeit spaltete sich die christliche Kirche in verschiedene Gruppen auf, und es gab gleich fünf sogenannte Päpste. Einer dieser grossen Väter sass in Konstantinopel, einer in Antiochia, ein weiterer in Jerusalem, einer in Alexandria und der Bischof in Rom liess sich Papa, Vater, Papst, nennen. Alle fünf strebten nach der Vormachtstellung, nicht nur um ihre ökumenischen Rechte, sondern auch um unbestrittene Autorität über die christliche Hierarchie des sogenannten lateinischen Westens. Vor allem der Papst in Rom sah sich als Beschützer des Christentums. Die Päpste rechneten damit, dass sie nach ihrem Tod gegenüber Gott Rechenschaft über die ihnen anvertrauten Seelen ablegen müssen. Die Seelen der einfachen Gläubigen konnten noch durch Beichte und Busse, eventuell auch durch eine Pilgerfahrt, gereinigt werden. Doch die damaligen weltlichen Herrscher waren zum grossen Teil sehr brutale Männer, denen Menschenleben nichts bedeuteten. In ihrer Brutalität waren diese Fürsten und Grafen jedoch sehr gläubig. Sie hatten Angst vor dem Tod und dem Fegefeuer, das nach all den Gräueltaten sicher auf sie wartete. Dies machten sich die Päpste zunutze und versprachen, die Seelen der Krieger im Heiligen Krieg von allen Sünden zu befreien.
Diese
Auslegung war nicht einfach, da das Christentum als gewaltfreie
Religion gilt. Bereits in den Büchern Mose gilt das Gesetz "Du
sollst nicht töten". Auch Jesus hat keine Gewalt gepredigt,
sondern vielmehr: "Wenn dich jemand auf die eine Backe schlägt,
dann halte ihm auch die andere hin." Doch bereits früh machten
sich christliche Theologen Gedanken über Krieg und Frieden. An
manchen Stellen im Alten Testament scheint Gott zuzustimmen, dass
unter gewissen Bedingungen Kriege erlaubt sind.
Der einflussreichste
christliche Philosoph, der sich mit dieser Frage auseinandersetzte,
war der nordafrikanische Bischof Augustinus von Hippo, das heutige
Constantine in Algerien. Sein Werk bildete das Fundament, auf dem die
Päpste in Rom 700 Jahre später ihre Vorstellungen vom Kreuzzug
aufbauen konnten. Es zeichnete sich immer deutlicher ab, dass die
Kirche eine Armee benötigte, um ihre Absichten zu festigen. Den
Kriegern wurde die Aussicht auf einen geistlichen Lohn, also die
Befreiung von ihren Sünden, in Aussicht gestellt. Die ersten
Versuche waren noch zögerlich. Erst unter Gregor VII. brachte die
römisch-katholische Kirche die Rechtfertigung ein, dass der Papst
das eindeutige Recht habe, Heere aufzubieten, um für Gott und die
Kirche zu kämpfen. So erklärte Papst Urban II. in seiner Predigt,
dass das Christentum in grosser Gefahr sei und die Gläubigen, die in
den Grenzgebieten zu den islamischen Ländern wohnten, entsetzlich
unterdrückt würden. Zudem befand sich die Heilige Stadt Jerusalem
in der Hand von Muslimen, einem Volk, das Gott fremd ist. Er rief das
lateinische Europa auf, sich gegen diesen grausamen Feind zu erheben,
um die Rechtgläubigen und Jerusalem und somit das Heilige Land für
den wahren Glauben, das Christentum, zu gewinnen. Wer gegen die
Muslime in den Krieg zieht, dessen Seele wird von aller Sündenlast
befreit!
Andererseits wissen wir, dass die Religion des Islam im 7. Jahrhundert entstand. Der Erzengel Gabriel überbrachte Mohammed Offenbarungen von Allah. Diese wurden als die heiligen, unveränderlichen Worte Gottes angesehen. So entstand der Koran, das heilige Buch. Die Aufgabe des letzten Propheten bestand darin, die Araber von Mekka und dem umliegenden Gebiet der Arabischen Halbinsel zur neuen Religion zu bekehren. Das war keine einfache Aufgabe und Mohammed musste in die Stadt Medina fliehen. Von dort aus führte er lange und blutige Religionskriege gegen Mekka.
Der Islam hat viele gemeinsame Wurzeln mit dem Christentum und dem Judentum. Der Prophet kam durch seinen Beruf als Händler mit Anhängern dieser beiden Religionen in Kontakt. Seine Offenbarung wird als Vollendung dieser älteren Religionen angesehen. So erkennen Muslime auch Mose, Abraham und Jesus als Propheten an. Der Jungfrau Maria ist sogar eine ganze Sure im Koran gewidmet.
Nach dem Tod des Propheten schlossen sich die Araber unter der Führung ehrgeiziger Kalifen unter dem Banner des Islam zusammen und folgten der Aufforderung Allahs, den muslimischen Glauben über die ganze Erde zu verbreiten. Dabei verlangten die Eroberer keine totale Unterwerfung und umgehende Konversion, sondern erlaubten gegen Entrichtung von Steuern, an dem eigenen Glauben festzuhalten. So erstreckte sich die muslimische Welt Mitte des 8. Jahrhunderts von den Grenzen Chinas bis in den Osten Nordafrikas und von dort nach Spanien und Südfrankreich.
Zu dieser Zeit eroberten sie vom Byzantinische Reich die Region Filastin mit der Hauptstadt Jerusalem. Jerusalem ist nach Mekka und Medina die drittwichtigste Stadt im Islam. Mohammed unternahm seine nächtliche Reise in den Himmel von Jerusalem aus. Die Heilige Stadt ist somit als der Ort des Jüngsten Gerichts anzusehen.
Die ersten Probleme im Islam zeigten sich mit dem Tod von Ali, dem Vetter und Schwiegersohn des Propheten, im Jahr 661. Die Sunniten wählten einen Kalifen der Omajjaden-Dynastie als Nachfolger und verlegten den Hauptort des Islams nach Damaskus. Die andere Gruppe wollte nur Nachfahren Alis und seiner Frau Fatima als rechtmässige Kalifen anerkennen. Während dieser Zeit entwickelten sie als Schiiten eine eigene Theologie, eigene religiöse Rituale und eine eigene Rechtsprechung.
In den kommenden Jahrhunderten vertieften und vermehrten sich die Spaltungen innerhalb der muslimischen Welt. Das Zentrum der Sunniten wurde nach Bagdad verlegt, in die Wiege der alten Kulturen des Orients zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris. Die Herrscher auf der iberischen Halbinsel riefen ein eigenes Kalifat aus. Unter den Fatimiden geriet der Vordere Orient, darunter auch Jerusalem, unter die Kontrolle der Schiiten. In Bagdad herrschte nun ein Sultan, in Kairo ein Wesir. Die Fronten zwischen Schiiten und Sunniten verhärteten sich zunehmend. Sie wurden zu unversöhnlichen Feinden und zu Beginn der christlichen Kreuzzüge gab es keine islamische Einheit, die den Kriegern aus dem Abendland gegenüberstand. Mitte des 11. Jahrhunderts tauchten die Türken aus Zentralasien auf. Diese furchteinflössenden türkischen und russischen Stämme traten zum sunnitischen Islam über und lösten die arabische und persische Autokratie ab. Auch Aleppo und Damaskus fielen in ihre Hände, und in Ägypten trat ein neuer Kalif seine Herrschaft an.
Es ist nicht anzunehmen, dass die Christen um den Papst in Rom zu dieser Zeit von all dem wussten und die Streitereien innerhalb des Islams ausnutzten, um den ersten Kreuzzug zu starten. Doch war es für sie ein äusserst günstiger Zeitpunkt.
Der Vordere Orient war zu dieser Zeit aber auch kein reines islamisches Land. Hier lebten viele Christen verschiedener Gruppen, darunter Griechen, Armenier, Syrer und Kopten. Zudem lebten hier verschiedene jüdische Bevölkerungsgruppen, beduinische Nomaden und arabisch sprechende Muslime. Die christlichen Heere drangen also nicht in das Kernland des Islam ein. Sie kämpften um die Herrschaft über einen Landstrich, der eine muslimische Grenze bildete. In dieser Region lebte eine Mischbevölkerung, die im Laufe der Jahrhunderte von Byzanz, Persien, Arabien und den Türken regiert wurde.
Während wir das Christentum als Religion des Friedens bezeichnen, zeigen muslimische Gelehrte zahlreiche Belege dafür, dass der Prophet den Kampf auf dem Weg Allahs befürwortete. Sunnitische Rechtsgelehrte entwickelten die Vorstellung, zu den Waffen zu greifen, um einen Krieg gegen die Ungläubigen auszutragen. Muslimische Mystiker sind dagegen der Auffassung, dass der Dschihad wörtlich Anstrengung bedeute und sich gegen Sünde und Irrtum richte.
Doch
zum Schluss dieses ersten Teils zu den Kreuzzügen bleibt die Frage:
Hat die islamische Welt die Kreuzzüge provoziert, oder handelt
es sich bei den heiligen Kriegern um einen Akt der Aggression?
Die Eroberung Jerusalems durch die Muslime hatte jedoch bereits im Jahr 683 stattgefunden und konnte somit im 11. Jahrhundert nicht mehr als Angriff gewertet werden. Allerdings soll das Grab, das an der Stelle der Kreuzigung und Auferstehung Jesu errichtet worden sei, von Muslimen zerstört worden sein. Christen soll der Besuch dieser Stätten zuletzt verweigert worden sein. Zudem wurde die christliche Ostkirche zu dieser Zeit unterdrückt.
Ibn al-Arabi, ein muslimischer Pilger aus Al-Andalus, beschrieb Jerusalem im Jahr 1092 in seinem Tagebuch als blühendes Zentrum religiöser Verehrung für Muslime, Christen und Juden gleichermassen. Die Kirchen der Christen seien in gutem Zustand gewesen. Der Islam war nicht im Begriff, einen Krieg gegen den Westen zu unternehmen, und es wurden auch keine ethnischen Säuberungen geplant. Somit war der Vorwurf von Papst Urban II. nicht gerechtfertigt. Doch sich für immer von den Sünden reinzuwaschen, war für viele lateinische Christen eine zu grosse Verlockung!
