Lukas Hartmann
Vor zwölf Jahren habe ich seinen Roman "Abschied von Sansibar" gelesen. Damals habe ich ihn mit meiner damaligen Frau diskutiert, die aus Marokko stammt und wie die Prinzessin im 19. Jahrhundert aufgrund der Heirat mit einem Europäer einen Kulturschock erlebt. Heute lese ich den Roman anders und betrachte die Anpassung der damals miteinander verglichenen Personen aus einem anderen Blickwinkel. Sicher war es in den 1850er Jahren viel schwieriger und der Unterschied muss enorm gewesen sein. 2006 war es im Maghreb bereits "europäisch" und die modernen Kommunikationsmittel, die die Welt kleiner und damit zugänglicher machen, waren bekannt.
Emily
Ruete schrieb in einem ihrer Briefe an die Heimat, die nie
abgeschickt wurden, unter anderem
Ich verliess meine Heimat als
vollkommene Araberin und als gute Mohammedanerin, und was bin ich
heute? Eine schlechte Christin und etwas mehr als eine halbe
Deutsche.
Der
Diogenes Verlag, sein Herausgeber, beschreibt seinen Schriftsteller
wie folgt:
Lukas
Hartmann, geboren 1944 in Bern, studierte Germanistik und
Psychologie. Er war Lehrer, Journalist und Medienberater. Heute lebt
er als freier Schriftsteller in Bern und schreibt Bücher für
Erwachsene und für Kinder. Er ist einer der bekanntesten Autoren der
Schweiz und steht mit seinen Romanen regelmässig auf der
Bestsellerliste.
So trocken wie diese Beschreibung kam mir das Buch auch vor. Vor rund 20 Jahren habe ich die Romane dieses Schriftstellers geliebt, wie ich auch die anderer Schweizer Autoren geliebt habe. Doch in den vergangenen Jahren hat sich etwas in mir getan und ich lese deren Romane mit anderen, wacheren Augen. Von den über 330 Seiten ist mir eine einzige geblieben, und das nicht, weil hier eine Liebesszene beschrieben wird, sondern weil ich einen so gut geschriebenen Roman in Erinnerung habe. Ich zitiere:
Draussen ein Sternenhimmel, wie er in Deutschland nie zu sehen ist. Und in dieser Nacht schlüpft eine Frau zu ihm ins Zelt, vielleicht hat jemand sie geschickt. Sie legt sich nackt zu ihm, umfängt ihn unter flüsternden Worten, die er nicht versteht, sie befreit ihn sachte von seinem Schlafanzug. Ihre Weichheit, ihr Duft. Sandelholz? Moschus? Er stellt sich unbeholfen an, sie zeigt ihm, wie es geht, sie steigert mit kundigen Händen und Lippen seine Erregung, tut alles Verbotene, das er sich je gewünscht hat, lässt ihn umgekehrt ihre Haut in aller Freiheit erkunden. Ein Verschmelzungsgefühl von berauschender Kraft, Ohnmachtsnähe, ein Schrei, und nach einer Zeit der Ermattung alles wieder von vorne, zu neuen Gipfeln.
So
schreibt ein Mann, der träumt. Nicht aber einer, der das Glück und
Vergnügen hatte, mit einer orientalischen Frau die Wonnen der Liebe
zu geniessen.
Da gibt es nichts Verbotenes, da bleiben keine Wünsche
offen, es ist ein Geben und Nehmen.
