Mali
AFRIKA FÄNGT BEREITS IN PARIS AN!
Auf dem Flughafen Charles de Gaule, Abflug nach Bamako
Bereits vier Stunden vor Abflug komme ich in die Abflughalle 3 des Flughafens Charles de Gaule in Paris. Eine riesige Schlange schwarzer Menschen steht vor dem Check-In Schaltern. Diese sind aber immer noch geschlossen und es gibt keinen Hinweis wohin und wann geflogen wird. Ist der Flug wohl überbucht? Ich berechne die hier diszipliniert wartenden Menschen und vergleiche die Zahl mit den im Flugzeug vorhandenen Plätzen. Da gibt es für mich nur eine Erklärung: overbooking!
Koffer? Koffer haben die Passagiere keine. Riesige Metallkisten, wie wir sie von der Armee her kennen werden in der sich nun bewegenden Schlange hinter sich her geschleppt. 50 kg zeigen die Waagen als Mindestgewicht an. Und dies bei einem Freigepäck von 40 Kilo! Die afrikanischen Fluggesellschaften sind hier großzügig. Trotzdem werden versucht noch ein paar Handgepäcke ins Flugzeug zu schmuggeln. Spätestens bei der Passkontrolle wird einem dann klar, dass nicht alle Anwesenden verreisen. Je Passagier sind mindestens fünf Begleitpersonen da, die im letzten Moment dem ins Heimatland Reisenden noch eine Tasche, einen Radio oder Geld für die Familie zu hause in die Hand drücken.
All diese Unmengen von Handgepäck führen zu Streitereien mit dem Bodenpersonal der Fluggesellschaft. Die überpackten Passagiere werden aussortiert und so kommt es zu einer Verspätung der Abflugszeit von fast zwei Stunden. Aber, endlich, rollen wir auf die Abflugbahn und es geht los Richtung afrikanischer Kontinent. Im Gespräch mit einem heimkehrenden Malier erfahre ich, dass für ihn eine Reise in die Heimat mindestens 6.000 Euro kostet. Das wenigste sind die Flugkosten. Der größere Betrag sind Geschenke an die Familie, an Verwandte und Freunde, die einem damals geholfen haben, ins "Paradies", nach Frankreich zu kommen und dort zu arbeiten. Die damalige Hilfe verpflichtet!
Aw ni nyumanse - Willkommen!
22.10 h Ortszeit. Nach rund 4175 km Flugstrecke kommen wir bei 28 º im 385 m über Meeresspiegel liegenden Bamako an. Malis Hauptstadt wird von zwei Hügeln beherrscht. Auf einem liegt der Präsidenten-Palast, der Hügel der Macht! Auf dem andern liegt die Universität, der Hügel der Weisheit!
Die Empfangshalle des Flughafens in BAMAKO ist weihnachtlich geschmückt. In einer Ecke steht sogar ein künstlicher Weihnachtsbaum! An der Passkontrolle werden Kontroll- und Fangfragen gestellt. Nach dem Internationalen Impfausweis fragt aber keiner. Die Halle mit der Kofferausgabe ist viel zu klein für all das angekommene Gepäck und die ungeduldig wartenden Fluggäste. Nochmals eine Kontrolle des Gepäckes und endlich, ist man in Afrika. Endlich riecht man Afrika. Der eigenartige Geruch, das nur ein afrikanisches Land haben kann. Und Bamako hat innerhalb der afrikanischen Gerüche, seinen eigenen: von einem trockenen, staubigen und muffigen Wind werden wir empfangen. Es fehlt der Regen. Regen der das ganze Atmosphäre reinigen würde, die Strassen fegen und sicher auch die Herzen und Seelen der Bewohner. Aber die Regenzeit beginnt erst im Monat Juli!
Hochhäuser findet man fast keine. Ein- bis zweistöckige Häuser sind die überwiegende Mehrheit. Asphaltiert sind nur die Hauptstrassen. Nebenstrassen liegen im trockenen Staub. Staub der einem die Nase und den Mund austrocknet. Staub der einem in den Augen brennt. Zu sehen gibt es nicht allzu viel. Bamako ist eine in der Kolonialzeit entstandene Stadt. Verlassen und vergessen von den Franzosen. Überflutet von den von Dürre betroffenen Bewohnern des Landes. Armut sieht man überall. Aber die Leute scheinen zufrieden. Ausländer werden nicht belästigt. Nicht einmal beachtet. Im Stadtzentrum finden wir weder Cafés noch Restaurants. Es gibt nur wenige europäisch anmutende Einkaufsläden. Die Hauptstrasse und vor allem die staubigen Nebenstrassen sind der ständige Markt, von Sonnenaufgang, bis Sonnenuntergang. Zum Kaufen gibt es alles und nichts. Plastikeimer und Kohlbügeleisen werden nebeneinander feilgeboten. Wer keinen eigenen Stand hat, trägt seine Waren auf dem Kopf. Spaziert durch die Strassen und bietet so seine Ware feil. Wasser mit Limonade gemischt werden in kleinen Plastiksäckchen eingefroren und als Erfrischung zum Verkauf angeboten. Gekaut wird Süßholz, um den Hunger zu überlisten (?) und/oder gleichzeitig die Zähne zu putzen. Achtung, wenn gespuckt wird! Überall und an den unmöglichsten Stellen, werden Fladen, Eier, Fisch und Fleisch gekocht, gebraten und zum Essen angeboten. Nichts für unseren nicht gewohnten Magen. Man bezahlt lieber europäische Preise in den internationalen Restaurants der Hotels, die auch eine einwandfreie, europäische Magen gewöhnte Sauberkeit garantieren.
KOULIKORO
Vor dem Hotel mieten wir einen etwas abgefahrenen Peugeot 306 mit einem sehr freundlichen und hilfsbereiten Fahrer für nur 30 Euro, zuzüglich der Kosten für den Treibstoff. Einen Fahrer braucht man eigentlich nicht wegen dem in der Stadt herrschenden chaotischen Verkehr, den man schnell kontrolliert, sondern eher darum, dass es nirgends Hinweis-Schilder gibt, um den Weg aus der Stadt zu finden. Endlich kommen wir aber auf die gewünschte Strasse. Je weiter wir uns von der Hauptstadt entfernen, lässt der Verkehr nach. Die Hauptstrasse ist eine nicht allzu breite, aber geteerte Strasse mit hie und da sehr tiefen Fahrrinnen. Wir fahren durch verschiedene kleine Dörfer die direkt am Straßenrand liegen. Diese sind nun aber alle am Dorfeingang und -ausgang entsprechend beschildert! Vor rasenden Lastwagen sind die Dörfer durch die "Police couché" geschützt. Nach rund 60 km erreichen wir Koulikoro, Hafenstadt gelegen am Niger. Während und nach der Regenzeit fahren von hier aus Schiffe nach Segou, Mopti, Tombouctou und Gao. Heute liegt der Fluss wie ein Binnensee da. In der Mitte eine riesige Insel. Die motorisierte Fähre kann nicht in Betrieb genommen werden. Ein für den Niger typisches flaches Boot, Pinasse, setzt uns über. Hier herrscht Stille und es weht ein vom Wasser erfrischter, leichter, staubfreier Wind. Hier kennt man keinen Stress und keine Hektik. Es scheint, es gibt kein Zeitgefühl. Die Frauen sitzen auf dem Markt hinter den wenigen Habseligkeiten, die sie anzubieten haben. Wie immer ist man sehr freundlich, kümmert sich nicht um die Fremdlinge und wartet, dass etwas geschieht. Aber, es geschieht nichts. Man wartet. Auf was?
FOUGADOUGOU
Auf dem Rückweg nach Bamako halten wir in einem der Dörfer. Unser Fahrer holt zuerst beim Dorfältesten, der im Schatten vor sich hindöst, die Erlaubnis, dass wir Ausländer das Dorf besuchen und fotografieren dürfen. Keine lästigen Kinder, wie in touristischen Orten, begleiten uns. Man nimmt uns wieder einmal einfach nicht wahr. In der Dorfschule treffen wir die örtliche Lehrerin. Heute Nachmittag erteilt sie den Mädchen und Frauen Unterricht. Anhand der Entwürfe der landestypischen Kleider lernen die Frauen gleichzeitig auch Rechnen. Der Unterricht ist freiwillig und die Teilnehmerinnen am Unterricht kommen und gehen, wie sie wollen oder sie die Kleinkinder, die vor der Schule spielen, in Ruhe lassen. Als Schnittmuster dienen alte Zementsäcke aus Papier.
In der Mitte des Dorfes steht die Moschee mit seinem landestypischen Minarette. Die Häuser sind ebenfalls aus Lehm gebaut. Rund und mit einem spitzen Strohdach. Dieses Dorf ist eines der vielen Beispiele sudanesischer Architektur. Diese Bauart verwendet die traditionellen, sonnengetrockneten Lehmziegel, welche vor Ort hergestellt werden. Die Häuser dienen als Warenlager und Schlafzimmer. Der Rest des Lebens spielt sich in der Öffentlichkeit, im Schatten der Häuser und Bäume ab. Hier wird gekocht, gearbeitet und geredet. Gewaschen wird im nahen Fluss. Trinkwasser gibt es am Dorfbrunnen der über ein staatliches Wasserdepot gespiesen wird. Vor dem verlassen des Dorfes geben wir dem Dorfblinden eine Geldspende. Es gilt als Dank, dass wir, als Weiße, sein Dorf besuchen durften.
MIT JEDEM GREIS DER STIRBT, VERBRENNT EINE BIBLIOTHEK
(Amadou Hampaté Bâ, 1901-1991, malischer Autor)
Das französischsprachige Bildungssystem ist leider nicht flächendeckend. Die Analphabent Quote der Erwachsenen wird auf über 70 % geschätzt. Es wird versucht mit einem neuen Grundbildungskonzept und unter Einbeziehung der Nationalsprachen als Unterrichtssprache das Schulsystem neu zu motivieren. Der flächenmäßig größte Staat Westafrikas ist aber eines der ärmsten Länder der Welt. Das war aber nicht immer so. Das damalige Königreich Mali (13. - 15. Jhdt.) unterhielt enge Verbindung zur arabischen Welt und zum Mittelmeerraum. Dank der Kontrolle über den Transsahara-Handel mit Gold, Salz und Sklaven verfügte Mali über Macht und Reichtum. Eines der wichtigsten Handelszentren dieser Tage war Tombouctou. Eine Stadt, von der man sich im fernen Europa die fantastischsten Geschichten erzählte. Es hieß, dass es Häuser mit goldenen Dächern gäbe, prachtvolle Paläste und eine riesige islamische Universität mit einer der umfangreichsten Bibliotheken der damals bekannten Welt. Goldene Dächer waren sicher eine Fatahmorgana. Aber, dass eine große Kultur auch in diesem muslimischen Land bestand, kann man heute noch sehen. Der restliche Glanz von Tombouctou ist aber leider verloren gegangen. Mit der Entwicklung der modernen Transportmittel ist der Weg von Schwarzafrika ans Mittelmeer über die Sahara vergessen gegangen und dient heute lediglich noch einigen Abenteurer und Kulturreisenden. Der Warenverkehr beschränkt sich auf das Notwendigste.
CENTRE CHARLES MÉRIEUX DE BAMAKO
Im Jahre 1967 gründet Doktor Charles Mérieux die Stiftung, welche seinen Namen. Die Stiftung Charles Mérieux trägt bei der Forschung für Impfstoffe bei. Einer der wichtigsten Ziele ist dabei das Studium der exotischen Viren. Dazu wurde im Jahre 1999 ein entsprechendes Labor in Lyon, Frankreich, eingeweiht. Während unseres Aufenthaltes in Bamako durften wir bei der Grundsteinlegung des ersten Labors Mérieux in Afrika dabei sein. Innerhalb weniger Monaten wird hier vor Ort ein modernes Forschungslabor gebaut. Somit hat die Stiftung Mérieux die Möglichkeit, direkt in den von exotischen Viren betroffenen Ländern, seine Forschungen zur Erlangung neuer Impfungen fortzusetzen.
Impfungen sind die effektivste präventive Maßnahme der modernen Medizin und bilden daher ein wesentlicher Bestandteil unseres Gesundheitswesens. Impfungen retten weltweit jedes Jahr über drei Millionen Menschen vor dem sicheren Tod. Impfstoffe schützen vor Infektionskrankheiten wie das Gelbfieber, senken die Kindersterblichkeit und erhöhen nicht nur die Lebenserwartung, sondern steigern auch die Lebensqualität. Weitere interessante Details über die Stiftung Charles Mérieux finden Sie auf französisch unter: www.fond-merieux.org .
Eine Reise durch Mali lässt uns Europäer nicht kalt und so mancher kommt viel zufriedener nach hause, als dass er gegangen ist. Wichtig aber ist, sich dem afrikanischen Zeitgefühl anzupassen! Mali wartet auf Sie!