Marco Aurelio

07.09.2022

"Denn ein Leben nur, ein einziges, hat jeder. Es aber ist für dich fast abgelaufen, und du hast in ihm keine Rücksicht auf dich selbst genommen, sondern hast getan, als ginge es bei deinem Glück um die anderen Seelen.... Diejenigen aber, welche die Regungen der eigenen Seele nicht aufmerksam verfolgen, sind zwangsläufig unglücklich." Marcus Aurelius, römischer Kaiser, 161 - 180 nach Christus, und als Philosoph der letzte bedeutende Vertreter der jüngeren Stoa.

Als über 60-jähriger wird es mir bewusst, dass ich nicht mehr im Frühling des Lebens stehe, sondern mitten im Herbst, einem herrlich bunten, stürmischen Herbst. Niemand, auch kein 20-jähriger weiss, was morgen ist. Ich weiss wenigstens, dass vor rund 50 Jahren mir eine Wahrsagerin auf einer griechischen Insel unter anderem prophezeite, dass ich an meinem 96. Geburtstag sterben würde und, meine Erben keine materiellen Werte hinterlassen würde. Dieses Wissen beruhigt mich, lässt mich aber auch fragen, was, wenn sie sich getäuscht hat? Sie falsch interpretierte und es nicht 96, sondern 69 heissen soll!

Denn ein Leben nur, ein einziges Leben, habe ich und es steht im letzten Drittel, fast abgelaufen. Nicht, dass ich nie Rücksicht auf mich selbst genommen habe, sicher glauben dies die Mitmenschen, die links und rechts auf meinem Lebensweg zurück geblieben sind nicht, sondern ich habe immer versucht, das Glück der anderen zu schüren, sie zu stärken, an sie zu glauben. Auf die Regungen meiner eigenen Selle achtete ich trotzdem, Schmerz beim Unglück der Geliebten zeigt sich auch auf meiner Seele.

Vielmehr, um zwangsläufig glücklich in die Zukunft zu gehen, bedeutet, mit der Vergangenheit abzuschliessen. Während meines Lebens gab es Entscheide, die ich damals treffen musste, wollte. Für das Seelenwohl meiner, Unverständnis der Betroffenen hervorrufend. Ich blicke auf meine Hände, an denen täglich neue Falten sich zeigen. Ich erinnere mich an die Hände meiner verstorbenen Schwester, die mich an die Hände meiner Mutter erinnerten und heute, habe ich die Hände meiner Mutter, so wie damals, als sie 60 war. Eine lange Strecke habe ich bis heute zurückgelegt, Tag für Tag, Jahr für Jahr, bis heute, bis morgen.

Alle offenen Erinnerungen, die in meinem Kopf sich noch eingenischt haben, bilden doch nur Fragen, wie, wenn ich es damals anders gemacht hätte, die sich aber zufällig anders verwirklicht haben, während das, was ich im Moment erlebe, die Musik im Hintergrund, die Geräusche vor dem Haus, der Duft nach aufziehendem Regen, der Rauch der Zigarette, der Duft aus dem Weinglas, die einfache und wirkliche Gegenwart, die zwangsläufig mich glücklich macht, mein Leben darstellen. Die Erinnerungen, gute und schlechte, nette, lustige und traurige, dürfen gerne bleiben, sich einnischen in einer der vielen Ecken meines Gehirns, der wichtige Hauptteil bleibt aber frei für mich, mein heute, mein Glück.

Denn wenn es so ist, dass ich nur einen kleinen Teil von dem Leben kann, was in mir träumt, Wünsche sind, Hoffnungen bilden, was geschieht dann mit dem Rest? Ist es nicht wichtiger diesen kleinen Teil zu leben, den ich wahrnehmen soll und geniessen kann?
Ich verfolge die Regungen meiner Seele und so bin ich, zwangsläufig, glücklich!