Matmata
Nach
einigen römischen Ruinen und der islamischen Kultur in Kairouan geht
die Reise weiter nach Süden in die Gegend von Matmata, zu den
Berbern und deren Kultur. Schon der Name klingt vielversprechend und
ich erinnere mich an rosafarbene Fotos, als ich vor etwa 50 Jahren
mit meinen Eltern in dieser Gegend war.
Matmata
ist bekannt für seine in den Fels gehauenen Höhlenwohnungen und die
spektakuläre Wüstenlandschaft, die Besucher und Filmfans
gleichermassen fasziniert. Die Höhlenwohnungen mit ihren kühlen,
kegelförmigen Fassaden zeugen von traditioneller Baukunst und
geschickter Anpassung an die Umgebung, in diesem Fall die Wüste.
Die Fahrt von Karouan in Richtung Süden führt zunächst durch die bekannte grüne Landschaft, wechselt aber bald in weite Felder mit Olivenbäumen. Auffallend ist, dass die Bäume sehr weit auseinander stehen, nicht wie zum Beispiel in Andalusien, wo sie sich die Äste reichen. Die blauen Seen auf der Karte sind ausgetrocknet. Die Stadt Sfax wird vierspurig weiträumig umfahren. Nach der Stadt Nouvelle Matmata, während der französischen Kolonialzeit erbaut, wandelt sich die Landschaft in eine Steinwüste, durchzogen von kleinen, vom Wasser geformten Tälern. Vereinzelt stehen Palmen in der Landschaft. Die Gärten sind durch Sand- und Lehmwälle geschützt. Langsam steigt die Strasse an und nach mehreren Kurven erreichen wir den Ort Matmata mit etwa 3000 Einwohnern. Am Hauptplatz ist das Informationsbüro für Touristen geschlossen, hinter dem Café von Abdoul befindet sich ein Stellplatz für Camper mit Strom, Wasser, Toiletten und Duschen.
Doch zunächst biegen wir im Dorf nach rechts ab und fahren auf der C104 durch einige kleine Dörfer. Grössere Parkplätze am Strassenrand weisen auf Höhlensiedlungen hin, die touristisch genutzt werden. Eine davon besuchen wir auch. Durch einen kleinen Tunnel gelangt man in den Innenhof. Dieser ist an drei Seiten vom Fels mit unterschiedlich grossen Höhlen umgeben. An der vierten Seite wurde eine Mauer errichtet, die die Anlage von der Strasse, früher vom Weg, abgrenzt. So sieht man von aussen nichts von der Wohneinheit, nur ein kleiner Eingang lässt erahnen, dass sich mehr dahinter verbirgt als die in den Fels gehauene Holztür. Die Anlage, die wir besichtigen, ist über 300 Jahre alt und im Besitz derselben Familie. In den einzelnen Höhlen im Erdgeschoss befinden sich Vorratsräume, Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer. Über ein Seil gelangt man in die oberen Höhlen. Die Anlage wird nicht mehr bewohnt, sondern dient Touristengruppen als Rastplatz für ein typisches Berber-Mittagessen oder auch nur für einen Tee mit Honig und Olivenöl.
Die Grundprinzipien der Anlage sind mindestens 400 Jahre alt. Zunächst wurden etwa 8 m tiefe Gruben mit einem Durchmesser von etwa 12 m in den weichen Sandstein gegraben, um einen zentralen Platz zu erhalten. In die so entstandenen senkrechten Wände wurden ebenerdige Räume und Wohnungen eingetieft oder bereits vorhandene Höhlen genutzt bzw. erweitert. Etwas höher in der Wand entstanden auch kleine Kammern für Vorräte oder Hohlräume, die als Zisternen dienten. Stufen führten zu ihnen hinauf. Einige hatten Löcher in der Decke, durch die Getreide eingefüllt werden konnte. Ein schmaler, geschützter Weg, den auch die Haustiere nutzten, führte von der Ebene in die Grube. Etwa die Hälfte der ursprünglich 700 Häuser sei heute noch bewohnt. Insgesamt leben in der Region rund 5000 Menschen in Erdhäusern. Aber es ist wie überall. Der Komfort, den ein aus Betonziegeln gebautes Haus bietet, übertrifft die schönste Höhle. Viele sind verfallen oder dienen nun als Lager. Erst mit dem Tourismus sind Höhlenhotels und -restaurants entstanden und der Wert der Höhlen wurde neu entdeckt.
Die Landschaft ist einzigartig und die unerwartete Begegnung mit den bewohnten und genutzten Erdlöchern beim Durchwandern ein besonderes Erlebnis.