Nis-Belgrad

28.10.2024

Nach den zwei Tagen in Niš hatten wir die Möglichkeit, zuerst nach Sofia zu fahren und dann weiter nach Belgrad zu fliegen. Wir verwarfen diesen Plan und wollten uns auf Serbien konzentrieren. Von Niš nach Belgrad konnten wir zwischen einer Busfahrt über die Autobahn oder einer längeren Zugfahrt wählen. Wir entschieden uns für die Zugfahrt.

Bereits am Vortag waren wir am Bahnhof, um unsere Fahrkarten zu kaufen. Dabei erkundigten wir uns nach einem möglichen Speisewagen, was verneint wurde.
Die Fahrt in der 1. Klasse kostete für zwei Personen 3.520 RSD.

Das Bahnhofsgebäude erinnerte an so manchen sozialistischen Bahnhof, es gab wohl einen Entwurf in Moskau und die Baupläne wurden den jugoslawischen Brüdern gerne ausgeliehen. Eine riesige, menschenleere Bahnhofshalle erwartete uns. Blaue Bänke standen in Reih und Glied. Treppen führten auf die Galerie. Ganz hinten tauchten die Fahrkartenschalter auf. Einige waren geöffnet, dahinter gähnende Beamte und hinter den gähnenden Beamten wieder Beamte, wahrscheinlich der Supervisor. Keiner der Anwesenden sprach Englisch oder eine andere Fremdsprache. Aber mit Kalender und Foto vom Fahrplan gelang es uns, Fahrkarten für den gewünschten Zug für den nächsten Tag zu bekommen. Papiere gab es viele, Fahrkarten, Quittungen für was auch immer und Zahlungsbelege. Im Bahnhof gibt es weder einen Kiosk noch ein Café. Aber an der Hauptstrasse vor dem Gebäude gibt es Imbissstände und wir dachten uns, dort etwas Warmes für die ca. 6-stündige Fahrt einzukaufen.

Am nächsten Tag verliessen wir unser Studio und kauften im nahe gelegenen Supermarkt Getränke, Süssigkeiten und Salziges für die Reise ein. Ein Taxi brachte uns zum Bahnhof. In der gestern gefundenen Imbissbude kauften wir ein ganzes Grillhähnchen, nur ein halbes gab es nicht. Wieder ging es durch die leere Bahnhofshalle zu den Gleisen. Ein moderner, klimatisierter Zug stand auf Gleis 1. Der Zug war sauber, die Toiletten funktionierten noch. Man sagte uns, dass dies unser Zug nach Belgrad sei.
Die 1. Klasse war gleich vorne hinter dem Führerstand. Die ganze Fahrt waren wir die einzigen Gäste.
Bis zur Hälfte, wo das Personal gewechselt wurde, begleiteten uns der Zugführer und sein schlafender Kollege. Die Tür zum Führerstand stand offen und wir konnten auf die Gleise vor uns sehen. Auf dem zweiten Teil der Fahrt rauchten die Lokführer, obwohl im ganzen Zug Rauchverbot herrschte und auch eingehalten wurde. Ich fragte den Schaffner, ob ich rauchen dürfe, was er strikt verneinte. Als ich ihn auf den Rauch aufmerksam machte, der vom Führerstand in die erste Klasse zog, schloss er die Tür und entschuldigte sich. Der Tabakgeruch begleitete uns weiter bis Belgrad.

Bis zur Abfahrt hatten wir noch genügend Zeit und ich schlenderte ein wenig über das Gelände und entdeckte Loks, die nicht so aussahen, als würden sie noch fahren. Der Bahnhof ist gross mit breiter Gleisanlage. Dahinter stehen ausrangierte Güterwagen und verlassene Depots. Am Eingang eine restaurierte Dampflokomotive, weiter hinten verrostete Loks mit Tendern, die von grünen Schlingpflanzen verschönert werden. Die Abfahrt ist pünktlich, wir verlassen voller Vorfreude die Stadt Niš, die man gesehen haben muss. Es dauerte aber nicht lange und der erste Halt wurde auf Serbisch und Englisch angesagt. Und so bummelten wir von Station zu Station und merkten, dass die 6 Stunden Fahrt für knapp 250 Kilometer kein Witz waren, sondern dass dieser Regionalzug die drittgrösste Stadt Serbiens mit der Hauptstadt verbindet und dabei an jedem Weiler hält. Im Internet kann man sich den kompletten Streckenplan herunterladen und wer nicht gerade Karten spielt oder in einem Buch liest, kann sich die Haltestellen abhacken. Die Strecke ist gesäumt von unbeschrankten Bahnübergängen, die der Zug laut elektronischer Anzeige mit 20 km/h überquert. Überhaupt fuhr der Zug fast nie schneller als 50 km/h. Landschaftlich entsprach die Fahrt meinen Vorstellungen. Die Strecke führte durch Felder, Wiesen und kleine Wälder. In Richtung Belgrad ging es an kleineren Gebirgszügen vorbei. Viele der Dörfer, in denen wir kurz hielten, wirkten ärmlich. Der Bahnhof bestand aus Betonplatten, einer Holzhütte ohne Ortsschild. Andere dagegen waren der Mittelpunkt des Dorfes, gepflegt, frisch gestrichen und der Bahnhofsvorsteher freute sich über seine Arbeit.

Im Bahnhof Batocina trafen wir auf zwei weitere Züge älterer Bauart. Hier fand auch der Personalwechsel statt. Etwa eine Stunde vor Belgrad kamen wir in einen grösseren Ort, Mladonovac. Hier gibt es auch etwas Industrie. Die letzte Stunde bis zum unterirdischen Bahnhof Center in Belgrad war die längste, dazu kam noch eine halbe Stunde Verspätung. Es wurde dunkel, der Rücken schmerzte und wir hatten keine Lust mehr, Karten zu spielen. Trotz der Widrigkeiten haben wir die Fahrt aber genossen und viel aus dem Fenster geschaut. Die Eindrücke, die wir so von Serbien bekommen haben, sind einzigartig.

Ein weniger schönes Erlebnis hatten wir dann mit dem Taxifahrer, der uns zu unserer Unterkunft brachte. Erstens fuhr er ca. 800 Meter zu weit und zweitens wollte er uns mit dem Preis Bescheissen. Als ich darauf hinwies, dass wir Zeit hätten und er gerne die Polizei rufen könne, wurde der Preis sofort halbiert.
Die Unterkunft war schön, wir wurden vom Vermieter empfangen, der uns alles zeigte. Restaurants konnte er nur im nahe gelegenen Einkaufszentrum Karaburma empfehlen, wo wir auch ein nettes und vor allem rauchfreies Restaurant fanden.