Nordwest Algerien

20.05.2023

Die gemeinsame Landesgrenze zwischen Marokko und Algerien misst knapp 1.900 Kilometer und ist seit 1994 offiziell geschlossen. Marokko hatte schon einmal 1976 die diplomatischen Beziehungen zur algerischen Regierung abgebrochen, als diese die von der Bewegung Polisario-Front ausgerufene Demokratische Arabische Republik Sahara auf dem Gebiet der von Marokko besetzten Westsahara anerkannt hatte. Dabei herrschte während der französischen Kolonialzeit ein reger Grenzverkehr. Algerische Familien lebten in Marokko, Marokkaner arbeiteten in Algerien. Die Eisenbahn verband die wichtigsten Städte im Norden miteinander, die Einwohner der Wüste scherten sich schon immer wenig um künstliche Grenzen. Besucher finden in Oujda eine breite vierspurige Ausfahrtrasse, die im Nichts endet. Auf algerischer Seite weisen die Hinweisschilder auf der Autobahn auf das nahe Marokko. An den Kreuzungen der Grenzorte zeigen die Strassenschilder den Weg zur geschlossenen Grenze, Maroc 13 km!

Von Ghazaouet reisen somit mehr Menschen mit der Fähre nach Almeria, Spanien, als zum grenznahen Saïdia und Berkane. Nebenstrassen führen ins Landesinnere zur alten Berbersiedlung Nédroma. Moscheen, Grabmäler und Reste der alten Stadtmauer erinnern an die Bedeutung des Ortes während der Zeit der Almoraviden und Almohaden. Wenig vom damaligen Glanz ist geblieben. Im 15. und 16. Jahrhundert profitierte Nédroma von der Zuwanderung von im Rahmen der christlichen Reconquista aus Al-Andalus vertriebenen Juden und Muslimen. In der durchaus regenreichen Umgebung wird Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. In der Stadt selbst finden sich Händler, Handwerker und Dienstleister aller Art. Ein Kilometer vor der Stadt Maghnia befindet sich Hammam Chiguer mit einem frei zugänglichen Brunnen. Bekannter ist das rund 10 Kilometer ausserhalb, an der Strasse nach Remchi gelegene Hammam Boughrara mit touristischer Infrastruktur. Bei beiden handelt es sich um Thermal Schwefelbäder. Zu den Sehenswürdigkeiten Maghnias zählt das im 18. Jahrhundert entstandene Mausoleum der als heilig verehrten Namensgeberin der Stadt, Lalla Marnia. Im Jahre 1845 wurden zwischen dem alawidischen Sultan Mulai Abd ar-Rahman und dem französischen General Comte de la Rue, die heute bekannten Grenzen zwischen Algerien und Marokko festgelegt.

Die Strasse führt uns weiter durch die fruchtbare Ebene Richtung Süden. Immer wieder treffen wir auf Hinweisschilder nach Marokko. Dann steigt die N99 bergan. Wir treffen nur noch Schaf- und Ziegenherden und Militär. Militärkasernen, alle Richtung Westen gerichtet, welche von den Bergen zur Ebene zeigen und ein Niemandsland überwachen. Wird hier immer noch geschmuggelt wie früher? Werden algerische Esel und Maultiere immer noch unbeladen zur Familie in Marokko geführt, welche diese dann vollgepackt und bei tiefer Nacht alleine nach Hause schickten? Gibt es auf der marokkanischen Seite immer noch inoffizielle Tankstellen mit Benzin und Diesel aus Algerien, wo sogar Staatsfahrzeuge tankten?

Die relative gute Strasse und teilweise mit herrlicher Aussicht führt uns durch den Fôret de Beni, Ausläufer der Monts de Tlemcen, welche vor der Grenze abrupt in die Tiefe stürzen. Wir erreichen den Pass Col de Krorchef mit mehrfacher Strassensperre, direkt am Eingang zu einer Kaserne. Draussen ist es kalt, es regnet, nein, es schneit sogar ein bisschen. Nach wenigen Kilometern ist die N99 durch einen riesigen Erdhaufen gesperrt. Es gibt kein direktes weiter nach El Aricha. Die W107 führt uns direkt nach Sebdou. Unterwegs in einem an der Hauptstrasse langgezogenen Dorf finden wir einen Fast Food. Hühnerfleischburger, Fritten, Brot und Getränk für 250 Dinar! Je näher wir Sebdou kommen, umso mehr Verkehr auf der Strasse. Für Peugeot 404 Liebhaber das Paradies! Ob Pick Up oder Limousine, hier sind sie die Vertreter der motorisierten Zunft. Modelle von 1968 bis 1983 treffen wir an. Eine Vielzahl 1973er Modelle! 50-jährige Fahrzeuge und alle fahrtüchtig, beladen und mit Fahrer mit weissem Turban am Steuer.

Die Wirtschaft der Umgebung ist hauptsächlich durch die Wollproduktion geprägt; die immer noch zumeist von Halbnomaden betriebene Schafzucht spielt traditionell die wichtigste Rolle in der Gegend.Die Stadt Sebdou befindet sich in den Monts de Tlemcen, einem Teil des Tell-Atlas, östlicher Ausläufer des Rif Gebirges und des Mittleren Atlas, in einer Höhe von etwa 900 m. Unter der Herrschaft der Osmanen war der von Berbern bewohnte Ort ein Vorposten der Armee. Während der französischen Kolonie war der Ort zeitweise Garnisonsstandpunkt, um den herum eine französisch geprägte Stadt entstand. Die heute weitgehend moderne Stadt hat keine historisch oder kulturell bedeutsamen Sehenswürdigkeiten. Auf der Hauptstrasse und mit sehr viel Verkehr kehren wir nach Tlemcen zurück.