Oppenheim
Ende
des 19. Jahrhunderts schien die deutsche Welt noch in Ordnung.
Kaiser Wilhelm II. herrschte über sein Reich und versuchte, den
vorherrschenden Engländern und Franzosen im Nahen Osten, konkret im
aufstrebenden Ägypten, auf diplomatische Weise das Leben schwer zu
machen . Ägypten war zu dieser Zeit Teil des Osmanischen Reiches mit
der Hauptstadt Konstantinopel. Doch Ägypten war nicht nur
landwirtschaftlich ein reiches Land, sondern dank des 1869
fertiggestellten Suezkanals auch ein wichtiges Land für Handel und
Wirtschaft. So genoss das Land am Nil gewisse Freiheiten und seine
Bewohner liebten das europäisch geprägte Leben. Die Botschaften der
verschiedenen Länder befanden sich zwar in Konstantinopel, doch in
Kairo und Alexandria wurden Generalkonsulate unterhalten. So auch das
Deutsche Reich.
Max
Adrian Hubert Oppenheim, geboren am 15. Juli 1860, war der
zweitgeborene Sohn eines Bankiers mit Hauptsitz in Köln. Das
Bankhaus machte sich mit dem Bau der Reichsbahn einen Namen und Geld.
Die Familie Oppenheim hat jüdische Vorfahren. Doch der Vater Albert
heiratete die Katholikin Paula Engels, bekehrte sich zum Christentum
und erreichte so den Adelsstand als Freiherr von Oppenheim. Bereits
im Kaiserreich waren Juden, vor allem im Staatsdienst, nicht gerne
gesehen. Durch Heirat und Bekehrung umgingen die angesehenen, reichen
Juden, ein Jude zu sein. Wenn auch später, im Dritten Reich, dieser
Stand als Halbjude mehr zu Problemen führte als half.
Für
Max war schon früh klar, dass er nicht in die Fussstapfen seines
Vaters treten wollte. Als Kompromiss studierte er Jura, doch sein
Traum war immer der Orient.
Im
Jahr 1886 unternahm er eine Reise nach Marokko, das zu dieser Zeit
sehr orientalisch und gefährlich zu bereisen war. Bereits drei Jahre
zuvor unternahm er mit seinem Onkel Alexander Engels eine erste Reise
nach Italien, Griechenland und Kleinasien bis nach Konstantinopel.
1882
reiste er erneut in den Orient, diesmal in Begleitung von Wilhelm
Joests, und überwinterte in Kairo. Im folgenden Jahr führte die
Reise vom Mittelmeer zum Persischen Golf und weiter nach Indien und
Deutsch-Ostafrika, wo er sich eine Plantage kaufte. Die geplante
Reise an den Tschadsee fiel aus, da Ägypten in den Krieg gegen den
Sudan zog.
Sein
Ziel, in den diplomatischen Dienst des Kaisers einzutreten, zeigte
sich jedoch als schwierig, da er aus einer ehemaligen jüdischen
Familie stammte. Doch dank des Geldsegens seines Vaters wurde durch
verschiedene Tricks erreicht, dass er 1896 für mehrere Jahre an das
Generalkonsulat in Kairo versetzt wurde. Niemand im deutschen
Diplomatendienst verstand seine Position genau, doch schätzte man
seine Arbeit, die sich in über 400 Berichten zeigte. Dass die
Engländer und Franzosen ihn für einen Spion hielten, gefiel seinen
Vorgesetzten.
Dank
der finanziellen Unterstützung seiner Eltern konnte er sich auch ein
angenehmes Leben in den fernen Ländern leisten. Er mietete ein
riesiges Haus, das einen europäischen und einen orientalisch
eingerichteten Teil hatte. Er beschäftigte lokale Hausangestellte
und als lediger Lebemann auch einige Ehefrauen auf Zeit. Die Feste
bei Oppenheimer waren in Kairo bekannt und beliebt.
Da
er nicht direkt vom Generalkonsul angestellt war, konnte er
verschiedene Reisen in der Umgebung unternehmen, die er alle aus
eigener Tasche finanzierte. So besuchte er den Libanon, Jerusalem und
Transjordanien und unternahm Forschungsreisen nach Syrien und
Mesopotamien. Um sich Wissen über den Bau der Eisenbahn durch
Niemandsland anzueignen, reiste er auf eigene Kosten in die USA, um
die Planung der Bagdad-Bahn zu studieren. 1905 nahm er als
Delegierter ohne Befugnisse am 14. Internationalen
Orientalistenkongress in Algier teil und unternahm im Anschluss eine
Reise durch Algerien und Tunesien.
1910
beantragte er seine Entlassung aus den Diensten des Auswärtigen
Amtes unter Verleihung des Titels eines Minister-Resident.
Seine Zukunft galt den Ausgrabungen von Tell Halaf. Tell Halaf ist ein Siedlungshügel im Nordosten Syriens. An diesem Ort befand sich in prähistorischer Zeit eine Siedlung der nach dem Fundort benannten Halaf-Kultur. Seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. befand sich hier die Stadt Gozan. Es wurden bedeutende Funde aus der assyrischen Zeit bis zur Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. gemacht.
Max von Oppenheim untersuchte den Hügel im November 1899 drei Tage lang, konnte seine Funde jedoch weder auswerten noch bergen. Erst im August 1911 erhielt er die Bewilligung für Ausgrabungen und reiste mit einem Grabungsteam und umfangreicher Ausrüstung, zu der eine Feldbahn mit 22 Kippwagen und das Material zum Bau eines Expeditionshauses gehörten, nach Tell Halaf. Zu seinem Team gehörten fünf Architekten, ein Fotograf, zwei Sekretäre, ein Arzt und 200 einheimische Arbeiter der umliegenden Beduinenstämme. Bis 1913 und nach einer Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg von 1927 bis 1929 wurden im Bereich der Zitadelle Teile des Palasts, in der Nähe Teile der Stadtmauer und einige Grabkammern freigelegt. Der Westpalast aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. besass einzigartige Figurensäulen aus Basalt in Lebensgrösse. Nach der Fundteilung gelangte ein Teil dieser Figuren an das Nationalmuseum in Aleppo; der andere Teil wurde mit Bewilligung der osmanischen Regierung durch Oppenheim nach Berlin transportiert. Dort wurden sie in einem eigenen Museumsbau untergebracht und am Ende des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt. Eine Kopie dieser Säulen bildet heute den Eingang des Nationalmuseums in Aleppo.
