Oppenheim

10.08.2025

Ende des 19. Jahrhunderts schien die deutsche Welt noch in Ordnung.
Kaiser Wilhelm II. herrschte über sein Reich und versuchte, den vorherrschenden Engländern und Franzosen im Nahen Osten, konkret im aufstrebenden Ägypten, auf diplomatische Weise das Leben schwer zu machen . Ägypten war zu dieser Zeit Teil des Osmanischen Reiches mit der Hauptstadt Konstantinopel. Doch Ägypten war nicht nur landwirtschaftlich ein reiches Land, sondern dank des 1869 fertiggestellten Suezkanals auch ein wichtiges Land für Handel und Wirtschaft. So genoss das Land am Nil gewisse Freiheiten und seine Bewohner liebten das europäisch geprägte Leben. Die Botschaften der verschiedenen Länder befanden sich zwar in Konstantinopel, doch in Kairo und Alexandria wurden Generalkonsulate unterhalten. So auch das Deutsche Reich.
Max Adrian Hubert Oppenheim, geboren am 15. Juli 1860, war der zweitgeborene Sohn eines Bankiers mit Hauptsitz in Köln. Das Bankhaus machte sich mit dem Bau der Reichsbahn einen Namen und Geld. Die Familie Oppenheim hat jüdische Vorfahren. Doch der Vater Albert heiratete die Katholikin Paula Engels, bekehrte sich zum Christentum und erreichte so den Adelsstand als Freiherr von Oppenheim. Bereits im Kaiserreich waren Juden, vor allem im Staatsdienst, nicht gerne gesehen. Durch Heirat und Bekehrung umgingen die angesehenen, reichen Juden, ein Jude zu sein. Wenn auch später, im Dritten Reich, dieser Stand als Halbjude mehr zu Problemen führte als half.

Für Max war schon früh klar, dass er nicht in die Fussstapfen seines Vaters treten wollte. Als Kompromiss studierte er Jura, doch sein Traum war immer der Orient.
Im Jahr 1886 unternahm er eine Reise nach Marokko, das zu dieser Zeit sehr orientalisch und gefährlich zu bereisen war. Bereits drei Jahre zuvor unternahm er mit seinem Onkel Alexander Engels eine erste Reise nach Italien, Griechenland und Kleinasien bis nach Konstantinopel.
1882 reiste er erneut in den Orient, diesmal in Begleitung von Wilhelm Joests, und überwinterte in Kairo. Im folgenden Jahr führte die Reise vom Mittelmeer zum Persischen Golf und weiter nach Indien und Deutsch-Ostafrika, wo er sich eine Plantage kaufte. Die geplante Reise an den Tschadsee fiel aus, da Ägypten in den Krieg gegen den Sudan zog.
Sein Ziel, in den diplomatischen Dienst des Kaisers einzutreten, zeigte sich jedoch als schwierig, da er aus einer ehemaligen jüdischen Familie stammte. Doch dank des Geldsegens seines Vaters wurde durch verschiedene Tricks erreicht, dass er 1896 für mehrere Jahre an das Generalkonsulat in Kairo versetzt wurde. Niemand im deutschen Diplomatendienst verstand seine Position genau, doch schätzte man seine Arbeit, die sich in über 400 Berichten zeigte. Dass die Engländer und Franzosen ihn für einen Spion hielten, gefiel seinen Vorgesetzten.

Dank der finanziellen Unterstützung seiner Eltern konnte er sich auch ein angenehmes Leben in den fernen Ländern leisten. Er mietete ein riesiges Haus, das einen europäischen und einen orientalisch eingerichteten Teil hatte. Er beschäftigte lokale Hausangestellte und als lediger Lebemann auch einige Ehefrauen auf Zeit. Die Feste bei Oppenheimer waren in Kairo bekannt und beliebt.
Da er nicht direkt vom Generalkonsul angestellt war, konnte er verschiedene Reisen in der Umgebung unternehmen, die er alle aus eigener Tasche finanzierte. So besuchte er den Libanon, Jerusalem und Transjordanien und unternahm Forschungsreisen nach Syrien und Mesopotamien. Um sich Wissen über den Bau der Eisenbahn durch Niemandsland anzueignen, reiste er auf eigene Kosten in die USA, um die Planung der Bagdad-Bahn zu studieren. 1905 nahm er als Delegierter ohne Befugnisse am 14. Internationalen Orientalistenkongress in Algier teil und unternahm im Anschluss eine Reise durch Algerien und Tunesien.
1910 beantragte er seine Entlassung aus den Diensten des Auswärtigen Amtes unter Verleihung des Titels eines Minister-Resident.

Seine Zukunft galt den Ausgrabungen von Tell Halaf. Tell Halaf ist ein Siedlungshügel im Nordosten Syriens. An diesem Ort befand sich in prähistorischer Zeit eine Siedlung der nach dem Fundort benannten Halaf-Kultur. Seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. befand sich hier die Stadt Gozan. Es wurden bedeutende Funde aus der assyrischen Zeit bis zur Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. gemacht.

Max von Oppenheim untersuchte den Hügel im November 1899 drei Tage lang, konnte seine Funde jedoch weder auswerten noch bergen. Erst im August 1911 erhielt er die Bewilligung für Ausgrabungen und reiste mit einem Grabungsteam und umfangreicher Ausrüstung, zu der eine Feldbahn mit 22 Kippwagen und das Material zum Bau eines Expeditionshauses gehörten, nach Tell Halaf. Zu seinem Team gehörten fünf Architekten, ein Fotograf, zwei Sekretäre, ein Arzt und 200 einheimische Arbeiter der umliegenden Beduinenstämme. Bis 1913 und nach einer Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg von 1927 bis 1929 wurden im Bereich der Zitadelle Teile des Palasts, in der Nähe Teile der Stadtmauer und einige Grabkammern freigelegt. Der Westpalast aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. besass einzigartige Figurensäulen aus Basalt in Lebensgrösse. Nach der Fundteilung gelangte ein Teil dieser Figuren an das Nationalmuseum in Aleppo; der andere Teil wurde mit Bewilligung der osmanischen Regierung durch Oppenheim nach Berlin transportiert. Dort wurden sie in einem eigenen Museumsbau untergebracht und am Ende des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt. Eine Kopie dieser Säulen bildet heute den Eingang des Nationalmuseums in Aleppo.