Saladin
Saladin gegen Löwenherz
Für
die knapp 730 Seiten über die Geschichte der Kreuzzüge vom 11. bis
zum 13. Jahrhundert sowie
die dazugehörigen Anhänge, darunter eine
Zeittafel und Karten, benötigte der Autor Thomas Asbridge eigenen
Angaben zufolge gut sechs Jahre. In dieser Zeit hat er hunderte
Bücher und Berichte zu Rate gezogen und mit Experten über die Jahre
der Kreuzzüge gesprochen, diskutiert und gestritten.
Mein Lesen und
mein damit verbundenes Studium beschränken sich auf ein paar Wochen,
denn ich habe den Vorteil, dieses einzigartige literarische Werk aus
dem Klett-Cotta Verlag vor mir zu haben. Nur über wenige Namen und
Details wollte ich noch etwas Genaueres wissen. Wenn diese
Informationen nicht im Anhang vermerkt waren, half Google
überraschend sehr gut aus.
Während und nach der Lektüre sind mir einige Punkte aufgefallen. Zum einen wird das Wort Juden auf den erwähnten 700 Seiten nur zweimal verwendet. Einmal bei der Beschreibung der Stadt Akkon und dann wieder bei der Erwähnung des Jahres 1948, als der Zionismus Realität wurde. Bedeutet dies nicht, dass dieser rund 200 Jahre lang umkämpfte Landstrich am östlichen Mittelmeer für Juden keine oder nur eine geringe Bedeutung hatte? Oder waren Juden nicht zum Kämpfen da, sondern handelten lediglich im Hintergrund als Händler, Handwerker und Banker? Ich bin fest überzeugt, dass es vor der Gründung des Staates Israel keinen Juden gab, der zu einer Waffe griff. Noch heute weigern sich orthodoxe Juden, zu den Waffen zu greifen und in Israel Militärdienst zu leisten.
Sicher
ist aber, dass sich vor allem die Christen aus Europa – vorneweg
die Franzosen, aber auch die Engländer mit König Richard I.,
Löwenherz, oder die Deutschen mit den Staufern – um das Wohl
Jerusalems gesorgt haben. Doch blieb die Heilige Stadt fast die ganze
Zeit unter dem Schutz des Islams, was sich bis in die neuere
Geschichte nicht geändert hat. Erst mit dem Zerfall des Osmanischen
Reiches wurden die Franzosen nach Syrien und die Engländer nach
Palästina entsandt, um die entsprechenden Gebiete zu kontrollieren.
Der Völkerbund bezog sich dabei auf die Ansprüche der beiden
Nationen und griff dabei
auf die Geschichte und die damalige
Aufteilung des Territoriums während der Kreuzzüge zurück.
Während
dieser Zeit entstand die sogenannte Kreuzfahrer-Zionisten-Allianz der
Neuzeit.
Im November 1095 rief Papst Urban II. zum ersten Kreuzzug auf. Das Heilige Grab sollte aus den Händen der Ungläubigen befreit werden. Wer am Kreuzzug teilnahm, konnte sich so von allen bereits gebeichteten Sünden reinwaschen. Die Christen eroberten einige Städte im Nahen Osten, erreichten aber nicht das eigentliche Ziel des Kreuzzugs. Jahre später, im Dezember 1145, rief Papst Eugen III. zum zweiten Kreuzzug auf. Dieser scheiterte bei der Belagerung von Damaskus. Beim dritten Versuch stand Löwenherz, der König von England, zweimal vor den Mauern von Jerusalem, musste aber aufgeben, ohne auch nur einen Fuss hinter die Mauern setzen zu können. Im September 1192 wurde in Jaffa dann ein Vertrag mit den Muslimen unterzeichnet und Jerusalem fiel für kurze Zeit kampflos in die Hände der Christen. Der vierte Kreuzzug im Sommer 1198 führte lediglich zur Eroberung von Konstantinopel, das bis dahin die Hauptstadt des christlichen Byzantinischen Reiches gewesen war. Dabei spielten vor allem wirtschaftliche Faktoren, insbesondere die der geldgebenden Venezianer, eine grosse Rolle. Im März 1229 zieht Kaiser Friedrich II. in Jerusalem ein. Fünfzehn Jahre später wurde die Stadt von einer iranischen Völkergruppe, den Choresmier, geplündert. Der letzte Kreuzzug führte Ludwig IX. nach Ägypten, wo er gefangen genommen wurde.
Auf islamischer Seite spielten Zangi, der Atabeg von Mosul, und später sein Sohn, der Emir von Aleppo, Nur ad-Din, eine wichtige Rolle. Beide führten den Christen so manche Niederlage zu. Nach dem Tod von Nur ad-Din gelangte Saladin in Damaskus an die Macht. Er wurde somit zum direkten Gegner von Richard Löwenherz. Beide führten ihre jeweiligen Heere in wichtige Kämpfe. Mitte des 13. Jahrhunderts kam es bei den Muslimen zu grösseren Machtwechseln. Die einstigen Elitegruppen der Sultane von Ägypten, die Mameluken, übernahmen die Macht und eroberten alle Ländereien im Nahen Osten, die sich noch in christlicher Hand befanden. Die Eroberung von Akkon im Mai 1291 bedeutete das Ende der lateinischen Christen in Outremer. Bis ins 17. Jahrhundert blieb die Insel Zypern in christlicher Hand. Die überlebenden Johanniter flüchteten nach Malta.
In
den Augen der Muslime bestätigte dieser glorreiche Sieg die Macht
ihres Glaubens und besiegelte ihren Triumph über das Heilige Land.
Beide
Seiten kämpften fromm. Sie waren sich sicher, den Willen ihres
jeweiligen Gottes zu erfüllen und ein frommes Werk zu vollbringen.
Die einen versuchten, ihre eigenen Sünden zu waschen, und
verschmolzen in religiöser Busse. Die anderen versuchten schlicht,
die Ungläubigen zu vernichten. Und die Juden, wie bereits erwähnt,
hielten sich im Hintergrund und waren wohl auf beiden Seiten in ihren
Gewerben aktiv.
Während die Christen in die Renaissance schlitterten, bildete sich die Schweiz als Kleinstaat gegen die Habsburger. Die Mameluken hatten gegen einen neuen Gegner aus dem Osten, den Mongolen, zu kämpfen und ihre Religion zu verteidigen.
Auch
wenn die Kreuzzüge keinen direkten Einfluss auf unser heutiges
Dasein haben, rund 800 Jahre später, sind doch mehrere Parallelen
festzustellen. Wie damals wird von den Mächtigen gelogen, das wahre
Ziel verschwiegen, Steuern und Zölle eingetrieben, um ihr Spiel des
Todes zu finanzieren; es werden falsche Propaganda und Nachrichten
verbreitet. Es werden Versprechen gemacht, die nie eingehalten werden
können.
Doch
damals ritten die Mächtigen vorne am Heer, heute verstecken sie sich
hinter ihren gewaltigen Schreibtischen. Dank der Moderne wissen sie,
was weit weg von ihrem Sitz geschieht, und ihre Kriege führen sie
mit Worten und Faustschlägen auf die Tischplatte.
