Staufer
Die
Staufer
Herrscher und Reich
Vor
der Geburt wird niemand gefragt, ob er leben will, und ein
Neugeborenes wird nicht gefragt, ob es seinen Vornamen und seinen
Familiennamen akzeptiert.
Später können die Eltern ihrem Kind
wenigstens erklären, wieso es diesen Vornamen und nicht einen
anderen bekommen hat. Beim Familiennamen wird es schon etwas
schwieriger. Bei mir war der Zusammenhang mit der Schweizer
Geschichte gegeben, denn einer der drei, die sich auf dem Rütli die
Treue schworen, hiess Werner Stauffacher.
Mein
Vater hiess Werner und von Stauffer zu Stauffacher ist auch kein
grosser Unterschied. Die gesamte Familie war zufrieden und wir waren
stolz, wenn am 1. August, dem Nationalfeiertag der Schweiz, an
unseren vermeintlichen Vorfahren erinnert wurde.
Noch vor der Gründung der legendären Eidgenossenschaft gab es im 11. Jahrhundert die Adelsfamilie der Staufer, die bis ins Jahr 1268 existierte. Die bekanntesten beiden in der Geschichte des Kaiserreichs der Staufer waren wohl die beiden Friedrichs. Der erste mit dem Beinamen Barbarossa regierte von 1122 bis 1190 als Kaiser des Römischen Reiches. Der zweite, Friedrich II., regierte von 1194 bis 1250 auch als König von Jerusalem. Dazwischen herrschte noch Heinrich VI., den ich hier nicht näher erwähnen möchte.
Gemäss meinem orthografischen Wörterbuch der deutschen Sprache aus dem Jahr 1911, geschrieben in Sütterlinschrift, und nach den für Deutschland, Österreich und die Schweiz gültigen amtlichen Regeln wird das Wort Staufen in der neunten Auflage wie folgt umschrieben:
Stauf (der): Becher, Humpen, ein Gefäss
Staufen (der): Berg, Herrschergeschlecht
Staufer: Geschlecht
Im
Duden stehen die drei Namen nach Stauer (Verlader, Verteiler der
Waren im Schiffsraum) und noch vor Staubbesen (Rute zum Stäuben).
Interessant
ist, dass der Familienname in der Schweiz mit einem F (Zürcher) und
zwei FF (Berner) bekannt ist. Der Berg und der Becher finden sich
auch in den Familienwappen wieder. Gibt es also doch einen
Zusammenhang zu den Kaisern?
Wohl
eher nicht, denn mit dem letzten männlichen Spross, Konradin, starb
das aus den Welfen und den Babenbergern hervorgegangene Geschlecht im
Jahre 1268 aus. 163 Jahre lang prägten sie die Geschichte
Deutschlands und Italiens. Sie herrschten von Süddeutschland bis
nach Sizilien und waren Könige von Jerusalem.
Während
ihrer Herrschaft stritten sie sich mit den Herrschern im Norden
Deutschlands, mit den Franzosen und Engländern, aber vor allem mit
dem Papst in Rom – sofern dieser nicht gerade flüchten musste oder
seinen Titel mit einem zweiten Anwärter auf dem Petrus Thron teilen
musste.
Der
König war der Herrscher der weltlichen Macht, der Papst hingegen der
Vertreter Gottes auf Erden und ebenfalls Herrscher der weltlichen
Macht. Die Kirche besass zahlreiche Ländereien, die sie wiederum
den weltlichen Herrschern gegen Entgeld lieh.
Doch
wenn ein König Kaiser werden wollte, war er auf den Papst
angewiesen, denn nur dieser konnte ihn krönen.
In
der Geschichte waren jedoch nicht nur die Staufer vielmals gegen den
jeweils herrschenden Papst eingestellt. Doch der Nachfolger Petrus
hatte die längeren Hebel in der Hand. Ohne ihn gab es keine Weihung
zum Kaiser. Noch schlimmer war, dass der Papst jeden exkommunizieren
konnte, sogar einen Kaiser. Meist gelang es, den Seelenfrieden
wiederzuerlangen, indem man die Macht des Papstes anerkannte oder,
wie in einem früheren Artikel erwähnt, durch die Teilnahme oder
sogar Ausrufung eines Kreuzzugs, um das Heilige Land von den Muslimen
zurückzuerobern. Die Kirche übte damals einen riesigen Einfluss aus
und liess sogar den Kaiser vor dem Leben nach dem Tode zittern.
Um sein Reich zu schützen, griff ein König nicht nur auf den Krieg zurück. Auch die Heirat war ein beliebtes Mittel, um sein Reich nicht nur vor Feinden zu sichern, sondern es auch gleich noch zu vergrössern. Scheinbar lebten Adelsfrauen damals auch viel weniger lange als Männer. Kaiser Friedrich II. war gleich vier Mal verheiratet. Er war mit Konstanza von Aragon, Isabella von Jerusalem, Isabella von England und Bianca Lancia verheiratet. Doch all das half nichts: Mit dem Tod des Kindes Konrad starb das Geschlecht der Staufer aus. Und so sitze ich ohne Adel, ohne Krone und ohne Ländereien an meinem Schreibtisch.
Ich will mehr wissen: C.H.Beck Verlag, Knut Görich, Die Staufer, ISBN 978 3 406 53593 2
