Tabarka
Die Grenze zwischen Algerien und Tunesien bildet das Medjerda-Gebirge. Vom Westhang zum Osthang bemerkt der Reisende keine Veränderungen in Klima und Vegetation. Auch die Menschen scheinen dieselben zu sein. Doch trotz aller Ähnlichkeit sind kleine Unterschiede in der Sprache, in den Sitten und Gebräuchen der Bewohner zu bemerken. Im Grossen und Ganzen sind die Menschen auf beiden Seiten freundlich, offen und hilfsbereit. Vielleicht grüsst man in Algerien mehr als in Tunesien. Die Einwohner von Tabarka sind dafür mehr an Touristen gewöhnt, denn vor der weltweiten Krise galt Tabarka als Perle des Nordens und warb mit Golf- und Tauchurlaub. Es gab sogar Direktflüge aus der Schweiz!
Wir fahren direkt zum Hafen und parken neben dem Café mit seiner riesigen Sonnenterrasse. An der Hafeneinfahrt ist niemand zu sehen, also fragen wir den Wirt, ob wir hier campen dürfen. Reda, der Verantwortliche, ist schnell gefunden, ein Platz neben der Eisfabrik zugewiesen und das Stromkabel gelegt. Wir sind froh über den Strom, nachts muss immer etwas geheizt werden und dafür sind wir noch nicht unabhängig genug. Für den Platz inklusive Strom und Wasser zahlen wir 25 Dinar pro Nacht. Reda bringt uns noch zur örtlichen Polizei für die ordentliche Anmeldung, zum Geldautomaten und zur Telefongesellschaft, wo wir eine lokale SIM kaufen können. Da wir den ganzen Tag nichts gegessen haben, lassen wir uns in einem der zahlreichen Restaurants am Hafen verwöhnen.
Am
nächsten Tag unternehmen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch
Tabarka. Das Fort Genova wacht von der Halbinsel aus über den Ort.
Links und rechts liegen kleine schöne Strände und hinter uns das
weite blaue Meer. Bei klarem Wetter sieht man auch die felsige
Inselgruppe Galite. Auf dieser Insel wurde der tunesische
Unabhängigkeitsführer und spätere Staatspräsident Habib Bourguiba
von der französischen Kolonialmacht für zwei Jahre ins Exil
verbannt. Bourguiba war von 1957 bis 1987 der erste Präsident der
Tunesischen Republik. Bereits am 20. März 1956 musste Frankreich
Tunesien in die Unabhängigkeit entlassen. In den ersten Monaten
regierte König Mohammed VIII.
Habib
Bourguiba verfolgte einen autoritären Regierungsstil, aber auch eine
westlich orientierte Politik und öffnete das Land dem Tourismus.
Entlang
der Strandpromenade reihen sich Souvenirläden aneinander. Einige
sind geschlossen, die meisten geöffnet. Sie bieten Andenken aus
Holz, Kork, Stein und Muscheln an. Aber auch Waren aus Algerien
werden angeboten. Vor allem Drogerieartikel und Süssigkeiten wie
Schokolade seien in Algerien billiger und ausserdem besser,
informiert uns ein Einheimischer. Treibstoff ist im
erdölproduzierenden Nachbarland sowieso billiger. So sieht man
improvisierte Tankstellen, die algerischen Diesel in
Fünf-Liter-Kanistern verkaufen.
Der
Gemüsemarkt ist bunt und bietet im Januar, was die Erde in den
Wintermonaten zu bieten hat. Das grosse Ereignis auf dem Fischmarkt
ist heute ein riesiger Rochen, der vom Fischer fachmännisch gehäutet
wird. In der Stadt gibt es auch viele Cafés und Restaurants. In den
Cafés sitzen Frauen problemlos in Begleitung oder mit Kolleginnen.
Es gibt auch Supermärkte im europäischen Stil mit Produkten von bis
aus Jordanien und irgendwo ganz hinten versteckt eine kleine
Abteilung mit alkoholischen Getränken.
Die Stadt ist sauber, wenn man nicht um die Ecken schaut, aber etwas heruntergekommen. An allen Ecken und Enden müssten die Wege, Strassen und Mauern ausgebessert werden. Im Stadtpark weiden Schafe, und Habib Bourguiba schaut in übergrosser Gestalt, gestützt auf einen Stock und mit seinem Hund zu Füssen, dem Treiben gelassen zu, so wie es die älteren Herren auf den Bänken ringsum im traditionellen Fez gekleidet, auch heute noch tun.