Tageskarte
Wenn
ich einen Tag lang kreuz und quer durch die Schweiz fahren möchte
und es ein paar Wochen im Voraus weiss, sind Tageskarten sehr
praktisch. Vor allem, wenn kein Halbtax gelöst wurde und der
Fahrpreis nicht zu hoch sein soll.
So auch vergangenen Dienstag.
Ich fahre nach Genf zum algerischen Konsulat. Ich möchte während
meinen Ferien im Januar 2023 den Nordosten des Maghreb Land besuchen,
einen Ecken, den ich noch nicht kenne und dazu etwas auf den Spuren
von Albert Camus zu wandeln.
Somit ist die Hinfahrt klar und die Reise wird auch mit dem Fahrplan getaktet. Früh aus dem Bett, mit dem Tram zum Bahnhof SBB in Basel und mit der DB, welche bis Interlaken in der Schweiz für die SBB unterwegs ist, fahre ich erst einmal nach Bern. Hier heisst es umsteigen auf den Schnellzug ohne Halt bis Lausanne und weiter bis Genf, Endstation Genf-Flughafen.
Seit Ende Oktober haben es die Reisenden in den SBB Zügen 2° kühler. Gemäss Pressemitteilung können somit von November bis Februar zwischen 5000 und 8000 Megawattstunden Strom eingespart werden. Für die Fahrgäste und Mitarbeitenden habe diese Massnahme kaum spürbare Auswirkungen, heisst es weiter. Wie warm es in den Zügen genau ist, hängt von der Anzahl Reisenden ab, so die SBB. Der Wagen war gut gefüllt, trotzdem habe ich gefroren und schätze, es waren keine 18° im Abteil. Wenn man ein paar Stunden fährt, wird es richtig kühl.
Die
Botschaft mit angegliedertem Konsulat der Republik Algerien liegt im
Stadtteil Bellevue, an der Route de Lausanne. Ein Gebäude im
Kolonialstil direkt am Genfersee mit Bootslandeplatz, wo auch eine
der vielen Algerienfahnen im kalten Wind wehen. Sehr freundliches
Personal und in ein paar Tagen sollte ich meinen Pass mit Visum mit
der Post erhalten.
Wieder zurück auf dem Bahnhof Genf, zeigt mir
die Infotafel Abfahrt, dass in einer Minute ein Zug Richtung Brig
abfährt. Ich eile zum entsprechenden Bahnsteig und steige in letzter
Sekunde ein. Der Zug fährt dem Genfersee entlang über Lausanne,
Vevey nach Montreux mit seiner Felseninsel, auf der das Schloss
Chillon gebaut ist. Die Wasserburg bot gleichzeitig Schutz und einen
strategischen Ort, um den Weg zwischen dem Norden und dem Süden
Europas zu kontrollieren. Die Burg, die auf einer rund 100 Meter
langen und 50 Meter breiten natürlichen Insel erbaut wurde, hat
deren ovale Form übernommen. Auch der Name des Schlosses geht auf
diesen Felsen zurück, denn "Chillon" bedeutet "Felsplatte"
in der früher hier gesprochenen Sprache.
Bei Villeneuve lassen
wir den Genfersee mit seinem vom Wind gekräuselten Wasser rechts
liegen und fahren wie durch ein Tor in den Kanton Wallis, rein ins
Rohnetal. Links und rechts strecken sich die Berge in den Himmel und
die Weite des Sees weicht der Enge des Tals. Bei Aigle suchen sich
Schafe und Esel das letzte Grünfutter zwischen den Weinreben. Auf
den Bergen liegt Schnee, aber das Tal ist noch grün. Die Sonne
versucht immer wieder, sich durch die Wolken sehen zu lassen. Das Tal
wird wieder eng und bietet nur noch Platz für die Schienen, die
Hauptstrasse und die Autobahn. Das Tal öffnet sich wieder und macht
Platz für einen grösseren Ort, Martigny. Ski- oder Schlittenfahren,
Tourenski, Ski-Joering, Schlittschuhlaufen, Schneeschuhwandern oder
sogar Schlittenhunde, gibt es hier.
Brig
im sonnigen Oberwallis am Fuss des Simplon-Passes ist nicht nur
Drehpunkt internationaler Verkehrswege, die schöne Altstadt mit
Patrizierhäusern, heimeligen Gaststätten und Hotels lädt auch zum
Verweilen ein. Ich habe aber nur eine halbe Stunde, hole mir in der
Bäckerei neben dem Bahnhof etwas zu trinken und ein Sandwich, denn
hier fährt die frühere FurkaOberalpBahn, nun internationaler
einfach Matterhorn Bahn auf der Strecke des Glacierexpress durch das
Oberwallis bis Andermatt im Kanton Uri. Nach Andermatt führt die
Bahn in den Kanton Graubünden bis nach Chur.
Ich finde die
Bahnfahrt durch das Oberwallis bei jeder Jahreszeit ein Erlebnis und
es müssen nicht die verglasten Wagen des Glacierexpress sein! Nein,
mit der normalen fahrplanmässigen gemütlichen Bahn mit Haltestellen
mit Halt auf verlangen, ist ein Erlebnis für sich. Nach der
Talstation Betten, kurz vor dem ersten Tunnel, hackt sich die Lok ins
Zahnrad ein. Das Quietschen und Pfeifen gehört zu dieser Zugfahrt
wie die herrlichen Ausblicke auf die Alpen, die Täler, die Weiler
mit ihren Holzhäusern und der Halt an niedlichen Bahnhöfen. Die
Strecke eignet sich für Städter, die eine Entschleunigung suchen
und das Handy bitte nur für Fotos und Videos zücken.
Der
Furka-Basistunnel ist ein
1982 eröffneter 15,38 km langer Schweizer Eisenbahntunnel, der
Oberwald (1368
mü.M.) im
Kanton Wallis und Realp (1538 mü.M.)
im
Kanton
Uri miteinander verbindet. Sobald wir aus dem Tunnel fahren, ändert
sich auch die Landschaft. Nicht nur, dass hier weniger Schnee liegt,
nein, es gibt auch fast keine Bäume wie im Wallis und somit sind die
Häuser auch nicht mehr aus Holz gebaut, sondern aus nacktem, kalten
Stein.
Andermatt erwartet die Reisenden mit einem eiskalten Wind. Zeit für eine Zigarette und etwas plaudern mit einem der Mitarbeiter der Bahn, bevor mich die Bahn runter nach Göschenen bringt. Die Schöllenenbahn ist eine einspurige Zahnradbahn im Kanton Uri. Sie durchquert die Schöllenenschlucht der Reuss. Die Teufelsbrücke ist kurz nach Verlassen von Andermatt sehr gut zu sehen. Die Strecke weist eine Maximalsteigung von 179° auf. Die Strecke wurde zwischen 1913 und 1917 erstellt. Heute befördert die Schöllenenbahn im Jahr knapp eine halbe Million Reisende. Sie hatte in der Vergangenheit auch eine grosse militärische Bedeutung, weil sie die Festungsanlagen des Réduit im Gotthardmassiv versorgte. Die Strecke weist eine Gesamtlänge von 3770 Metern, davon werden 2509 Meter mit einer Zahnstange unterstützt. 1022 Meter führen durch Tunneln und 1110 Meter in Galerien. Die Bahn überquert vier Brücken mit einer Gesamtlänge von 260 Metern. Sie fährt durch fünf Tunnels und durch fünf Galerien. Die meterspurige Schmalspurbahn ist ein einmaliges Erlebnis für Gross und Klein. Die Fahrzeit von knapp 30 Minuten vergeht wie im Flug, so viel gibt es zu sehen und zu bestaunen.
In der
Zwischenzeit wird es dunkel. Eine weitere halbe Stunde gilt es auf
den Zug nach Basel zu warten. Die Raucher finden sich und ein nettes
Gespräch entsteht. Weiter im Zug erzählen wir uns Anekdoten unserer
Jugendzeit, diskutieren über das Heute und Morgen, bis sich mein
namenloser Mitreisender in Schwyz verabschiedet. Eigentlich habe ich
Hunger, habe mich auf das Restaurant der SBB gefreut, aber in diesem
modernen Zug gibt es nur einen Bistroautomaten, der aber nicht einmal
funktioniert.
So verbringe ich die Zeit von Schwyz über Rotkreuz,
Luzern, Olten bis Basel lesend. Draussen ist es dunkel und es
schneit. So haben wir auch eine Verspätung von rund 7 Minuten,
welche uns der Zugführer im traurigen Ton mitteilt. Nach 13 Stunden
bin ich wieder auf dem Bahnhof in Basel. Zugfahren ist immer wieder
ein einmaliges Erlebnis!