Tiddis

19.01.2025

Eigentlich interessiert mich die Römerzeit nicht so sehr, und die römischen Ruinen sehen mehr oder weniger immer gleich aus. Die Städte wurden nach einer Art Musterplan gebaut und alle haben neben den Wohnvierteln der verschiedenen Schichten ein Theater, eine Therme, einen Tempel, einen Markt und ein Forum. Die Strassen verlaufen gerade, Querstrassen führen nach links und rechts und die Steine liegen seit über 2000 Jahren brav neben- und übereinander. Und das ist für mich das eigentlich Faszinierende, die Torbögen stehen noch, die Wasserkanäle funktionieren noch, die Wege sind so gebaut, dass sie heute besser aussehen als so manche Nebenstrasse. Hier wurde für die Ewigkeit gebaut und sicher gab es auch damals den einen oder anderen, der in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, aber das Ergebnis kann man heute noch bewundern.
Eine Ausnahme unter den römischen Städten, die mich fasziniert und nicht mehr loslässt, ist Tiddis,
30 Kilometer nordwestlich von Constantine.

Schon die Fahrt zum alten Castellum Tidditanorum ist etwas Besonderes. Wir verlassen Konstantinopel durch Aussenbezirke mit Handwerksbetrieben und Läden für Baubedarf. Kaffee und Croissant kosten nur 40 Dinar, ein neuer Rekord. Hügelige fruchtbare Landschaft begleitet uns, Kühe grasen auf der Weide, es regnet, sind wir in der Schweiz?
Im Dorf vor der Ruine, Zeghrour Larbi, werden wir von der Gendarmerie angehalten, nach dem Ziel gefragt, die Pässe kontrolliert und unser Besuch nach Tiddis weitergeleitet. Nach der Abzweigung von der Hauptstraße wurde die Zufahrtsstrasse zum Dorf und zu den Ruinen neu gebaut und asphaltiert. Google kennt die neue Umgehungsstrasse noch nicht, wie so vieles, was Google Map in Algerien nicht kennt.

Wie Constantine liegt auch Tiddis auf einem Plateau und ist auf drei Seiten von Taleinschnitten des Flusses Rhumel umgeben. Schon vor den Römern siedelten sich hier Töpfer an, die den auffallend roten Ton bearbeiteten. Der Wächter am Eingang begrüsst uns freundlich und erklärt mit wenigen Worten auf Französisch, was uns erwartet. Der Eintritt kostet wie überall 130 Dinar pro Person. Mit uns ist eine Gruppe aus Italien auf dem Gelände. 

Was mich an den Ruinen von Tiddis fasziniert, sind die roten Steine, die im Regen noch besser zur Geltung kommen. Ausserdem haben die Römer ihre Stadt am Osthang des Plateaus terrassenförmig angelegt und die Hauptstrasse führt nicht gerade am Hang entlang, sondern in Kurven den Hang hinauf. Ausserhalb der damaligen Stadt befinden sich Grotten, die als letzte Ruhestätte dienten. Vom Eingangstor, dessen Pfeiler noch stehen, führt der gepflasterte Weg den Hang hinauf. Nach wenigen Metern liegen rechter Hand zwei Grotten mit den Resten des Vorgängerbaus. Hier befand sich das Heiligtum des Mithras und der Kybele, die beide von den Persern übernommen wurden. Fruchtbarkeitszeichen an den Ruinen weisen auf den Lichtgott und die Muttergottheit hin. Gegenüber stand eine christliche Grabkapelle. In der ersten Kurve befand sich der Markt mit dem erhöhten Wasserbecken. Dann gelangt der Besucher auf das kleine Forum der Stadt. Über Treppen (!) gelangt man zu einem Altar und einem Wasserbecken, die dem Saturn geweiht waren. Weitere Grotten dienten vermutlich kultischen Zwecken oder als Höhlenwohnungen. Tiddis war strategisch sehr günstig gelegen, und so machten sich die Römer die Mühe, das gesamte Plateau mit Wegen und Treppen zu erschliessen, die teilweise in den harten Fels gehauen wurden. Westlich der Stadt wurden die Thermen angelegt.

Ich kann mir diese nicht römische Stadt auf dem Hügel lebhaft vorstellen und geniesse den herrlichen Rundblick, so wie sich wohl so mancher Römer an der Landschaft erfreute, in der seine Herden weideten und seine Sklaven den fruchtbaren Boden bestellten. Vieles ist bis heute ein Rätsel, denn die Ausgrabungen begannen erst 1941. Wenn Sie in Constantine sind, besuchen Sie diese aussergewöhnliche römische Stadt!