Verfolgt
Sie geht einem Mann entgegen, der nicht ich bin.
Ich sehe sie überall, im Widerschein
der Gläser der Schaufenster, in der Flamme des Feuerzeuges, zwischen
den Buchseiten, auf einem Werbeplakat während ich durch die Altstadt
schlendere, unter der Rheinbrücke im grünlichen Wasser spiegelnd,
auf dem nassen Asphalt nach dem langersehnten Sommerregen in den Pfützen schwimmend, zwischen den Menschen auf der Strasse. Manchmal
sehe ich sie im Grund des ausgetrunkenen Rotweinglases, im Bodensatz
hockend. Ich sehe sie am Morgen in einer der Ecken des Spiegels, wenn
ich mich nass rasiere. Ich sehe sie im Uhrglas, im Rückspiegel des
Autos, auf dem Bildschirm beim schreiben. Auf die eine und andere
Weise ist sie immer da, schaut in die Welt hinein, schaut mich an,
beobachtet mich.
Was machst du hier?, rufe ich. Und sie
verschwindet sofort. Sie verfolgt mich, gleichzeitig aber entzieht
sie sich mir. Ich sitze an der Bar im Stammlokal, spüre ihren Atem
in meinem Nacken. Ich wende mich um, sie ist nicht da, keiner steht
hinter mir. Aber ich weiss, es war ihr Atem, der Atem einer Frau
vergisst man nicht so schnell, er ist unverwechselbar.
An anderen Tagen hörte ich ihre
Stimme, ich könnte mit ihr sprechen. Ich verstehe aber keine klaren
Sätze, es ist nur der Klang ihrer Stimme, so wie es ihr Atem war. Gespenst, Wunsch oder Hoffnung?