Vila Real
Der Abendflug von Basel nach Porto mit Easyjet hat über zwei Stunden Verspätung. Wir sind wohl der letzte Flug der Basel verlassen darf und auch der letzte, der in Porto noch die Landeerlaubnis erhält. Mein Peugeot J9 steht gleich in der Nähe des Flugplatzes auf einem bewachten Parkplatz und dort richte ich mich auch gleich zum Schlafen ein. Nach einer kurzen Nacht heisst es erst einmal Frühstücken, Euros am Bancomat ziehen und einen Waschsalon finden. Die Wassertanks sollen gefüllt werden und Einkauf für die kommenden Tage wird erledigt. Dann heisst es auf Strassen die nicht der Gattung Autobahn angehören, durch unzählige Aussenviertel und Vororte die Hafenstadt zu verlassen und mich auf den Weg ins Landesinnere, nach Vila Real zu fahren.
Einmal
die Vorstädte hinter mir gelassen führt die kurvenreiche Strasse
durch Eukalyptus- und Pinien Wälder. Vereinzelt stehen Kastanien und
Zirbelkiefern am Strassenrand. Der Weg führt durch die feucht-kühlen
Nordwesten Portugals auch durch die Gegend des Vinho Verde.
Der Wein
wird jung gelesen und ist somit wenig süss, weist wenig Alkohol auf
(zwischen 8,5 und 11,5 %) und ist mit natürlicher Kohlensäure
ausgestattet. Der grüne Wein, so die wortwörtliche Übersetzung,
wird aus nicht voll ausgereiften Trauben gewonnen. Es gibt aber vor
allem lokal, auch den roten Vinho Verde. Dieser ist von extrem
intensiver Farbe und sehr taninhaltig. Auch Roséweine sind
erhältlich. Im Ausland ist aber vor allem der weisse Wein bekannt.
Die Reben werden auf rund zwei Meter hohen Pergolen gezüchtet und
sind schattenspendend. Die meist verbreitetste Rebsorte ist Alvarinho
und Avesso. Es ist ein Sommerwein und schmeckt nach grünen Äpfeln,
Limetten, Orangen und Ananas.
Um
die Mittagszeit führt mich ein Wegweiser zum Strandbad an einem
kleinen Fluss, der hier in Becken gestaut wird und sich zum Schwimmen
eignet. Das Wasser ist eisig kalt, ein kurzes Abtauchen und ich bin
froh, dass die Sonne mich gleich wieder aufwärmt. Als nach 14 Uhr
langsam die Einheimischen eintreffen, fahre ich weiter. Immer wieder
sehe ich die Wegweiser der Via Romana, welche ich von früher schon
kenne. Auf die touristischen Höhepunkte werden in Portugal mit
braunen Schildern hingewiesen. Vor allem sind das hier Igrejas,
Mosteiros und Santos. Also Kirchen, Klöster und Heilgenstätte.
Auf
dem Weg zum Nationalpark Alvao führt die Strasse durch viele
verschiedene kleine Dörfer. Hier fallen die alten, fest gemauerten
Hausruinen auf. Die Häuser sind verfallen, stehen geblieben sind die
dicken, aus losen, teilweise riesigen Steinen, erbauten Aussenmauern.
Die dünneren Innenmauern, die Holzböden, Fenster und Türen sind
nicht mehr. Das Holz wurde wohl während eines kalt feuchten Winters
verheizt. Die tonnenschweren Steine wegzuschaffen ist schwierig und
kostet Geld. Ich frage mich, wie damals vor sicher mehr als hundert
Jahren die Menschen die Steine ohne moderne Transportmittel bis ins
Dorf gebracht haben und hier Schicht auf Schicht ein Haus entstehen
liessen. Etwas befremdend ist für mich, dass fast niemand für die
Instandhaltung der geerbten Häuser sorgt, sondern lieber gleich
neben der Ruine ein neues, für mich kitschiges Heim baut.
In einem der Dörfer, Vilar de Ferreiros, entdecke ich ein Wasserbecken und daneben ein aus den erwähnten Steinen erbauter Turm mit einem Mühlenrad. Zum Glück kann ich gleich in der Nähe parken und zücke meine Kamera. Ein Junge ist überrascht und fragt mich, was ich den fotografiere. Irgendwie hat er nicht verstanden, dass dieses alte Ding, das nicht einmal mehr funktioniert, mein Interesse weckt. Maisspeicher, auf galizisch Horreos, finden sich in jedem Dorf. In Nordportugal Espigueiro genannt, sind längliche, auf Steinstelzen gebaute Steinkonsturktionen für die Lagerung der Feldfrüchte, wie zum Beispiel Mais. Zwischen den Stelzen und dem Boden des Speichers ist auf halber Höhe eine flache Platte eingelassen, welche es Nagetieren verunmöglicht, von der Erde in den Speicher zu gelangen. Die Wände waren früher mit losem Holz beschlagen, heute findet man auch solche mit Ziegelsteinen, die Löcher nach aussen, um die Luft durch zu lassen. Die Speicher sind heute kaum noch im Gebrauch, werden aber gepflegt und erhalten. Sie stellen für die Bevölkerung ein wichtiges Kulturerbe dar.
Durch die Westflanke des Alvao Schutzgebietes fahre ich durch Granitgestein und einmalige Hochgebirgsvegetation. Hier liegen auch die Steine für den Bau der erwähnten alten Häuser herum. Die Gegend ist einmalig, herrliche Ruhe und frische. Interessant sind die blauen und weissen Plastiksäcke, die an den Fichten hängen. Es wird Harz gewonnen. Die Baumstämme werden fachgerecht geritzt und das fliessende Harz heutzutage leider in den erwähnten Säcken abgefangen. Eigentlich sollte ich hier übernachten, aber irgend ein dritter Sinn lässt mich runter nach Vila Real fahren. Die Stadt liegt auf einem Bergplateau auf rund 450 Meter. Sie wird umgeben von den Gebirgszügen Alvao und Marao. Begrenzt wird sie durch die Flüsse Corgo und Cabril. Interessant ist, dass bis heute der Hang und die Schlucht der Flüsse der Landwirtschaft dienen und entsprechend Terrassen angelegt sind. Ansonsten bietet die Stadt nicht viel und ich finde einen netten Parkplatz beim alten Friedhof, wo ich bei Sonnenuntergang alleine stehe. Kurz vor 9 Uhr morgens kommen dann die ersten Autos parken und die Fahrer eilen zur Arbeit.