Weichen stellen

13.06.2025

Unser Leben verläuft nicht auf einer geraden Strecke. Bereits früh werden die ersten Weichen für uns gestellt. In den ersten Lebensjahren werden wir von unseren Eltern, Verwandten und Bekannten sowie von der Schule behütet und die Weichenstellung erfolgt noch automatisch zu unserem Besten. Wann geht es in den Kindergarten? Wann komme ich in die Grundschule? Welche weiterführende Schule ist für mich geeignet? All das wird für uns entschieden, damit wir ja nicht auf ein Abstellgleis gelangen. Wenn nötig, wird auch gerne mal eine Zusatzschlaufe eingespielt. Doch irgendwann werden die Weichen nicht mehr automatisch gestellt. Dann liegt es an uns, unser Leben in die Hand zu nehmen und bei jeder Abzweigung zu entscheiden, ob wir geradeaus gehen oder links, scharf links, rechts oder scharf rechts abbiegen. Die Signale, die uns bei dieser Entscheidung helfen könnten, kennen wir jedoch nur zur Hälfte. Ein bisschen Abenteuer muss sein, und man kann nicht immer andere um Rat bitten.

So hat mit der Zeit jeder seinen Weg gefunden, kennt sich mit den Signalen in seinem Leben aus und ist seinen Lebensweg bis zum heutigen Tag mehr oder weniger schadenfrei gefahren. Für uns alle war immer klar: Es gibt kein Zurück. Einmal eine Entscheidung getroffen, musste man mit den Gegebenheiten leben. Verfing man sich in einer Sackgasse, gab es kein Zurück. Stattdessen musste mit allen Kräften versucht werden, hier einen Ausweg zu finden und zurück auf die Schienen des Lebens zu kommen.

In meinen ersten Lebensjahren wurden meine Eltern schön brav im Hintergrund aktiv und stellten frühzeitig die Weichen. Kleine Unebenheiten wurden beseitigt, während ein gewisses Mass an Rütteln und Schütteln auf dem Weg in Kauf genommen wurde. Als es um die Ausbildung ging, versuchte ich zum ersten Mal, meine Weichen bewusst selbst zu stellen. Ich akzeptierte zwar die allgemeine Richtung, versuchte aber, meinen eigenen Einfluss einzubringen. Mit der Lehre kamen weitere Menschen, die glaubten, an meinen Schaltpunkten herumfummeln zu müssen. Das wurde mit der Zeit stressig und ich entschied mich, nur noch für mich selbst verantwortlich zu sein.

In verschiedenen Situationen entschied ich mich für den für mich geglaubten besten Weg. Im Nachhinein kann man sich fragen, was wohl geschehen wäre, wenn ich mich damals anders entschieden hätte. Ich behaupte, dass sich nichts geändert hätte, ausser den Namen der Menschen, die mich auf diesem Lebensabschnitt begleitet haben. Statt Spanien wäre es vielleicht Griechenland, statt Maria del Mar wäre es vielleicht Caecilia und statt des Reisebüros wäre es ein Hotel. Mein Wohnort wäre nicht an der spanischen Mittelmeerküste, sondern auf einer griechischen Insel gewesen. Maria del Mar oder Caecilia wären sich nicht nur charakterlich sehr ähnlich, denn ich würde mich hier oder dort mit dem gleichen Typ Mensch treffen, mich in ihn verlieben und mit ihm zusammenkommen. Es kommt nicht auf das Land an. Der Ort, den ich auswähle, wäre ähnlich, die Menschen, die mich umgeben, wären dieselbe Art von Menschen – einfach mit anderen Namen.

Unser Weg ist durch unser Sein bestimmt. Wo auch immer wir hinkommen, werden wir immer wieder auf die gleiche Art von Menschen treffen und uns ihnen gegenüber immer gleich verhalten.

Ich bewundere Menschen, die seit 50 Jahren am gleichen Ort leben, mit den gleichen Mitmenschen zusammen sind und die gleiche Arbeit machen. Ich konnte es nicht, auch wenn ich es mehrmals versucht habe. Es gelang mir sogar, knapp zwei Jahrzehnte mit der gleichen Person zusammenzuleben. Diese Einheit funktionierte, da ich die Möglichkeit hatte, mich in anderen Bereichen persönlich zu verändern. Zum Beispiel durch verschiedene berufliche Herausforderungen und vor allem durch viele unterschiedliche Reisen. Schlussendlich wollte mein Partner nicht mehr, was mir den Boden unter den Füssen wegriss. Auch wenn ich als unbeständig gelte, muss auch ich irgendwo Wurzeln haben, die mich festhalten.
Flügel wurden mir gegeben, und das mussten schon mehrere meiner Lebensbegleiter erfahren.

Ich bin noch nicht am Ende meines Weges. Die zuletzt gestellten Weichen lassen mich es aber etwas ruhiger angehen. Es ist schön, bei jemandem zu Hause zu sein, und es ist fantastisch, gemeinsam die Flügel auszubreiten und zu reisen.