Westküste Algeriens
Verlässt
der Reisende Oran auf der Küstenstrasse trifft er nach wenigen
Kilometer auf den Badeort Aïn El-Türck mit seinen verschiedenen
Badebuchten. In der Nebensaison und nicht an einem Wochenende liegen
die Strände ruhig vor sich und die Wellen schlagen leise an die
Sandstrände. Die Buchten sind überbaut mit Ferienhäusern, die
meisten Geschäfte sind geschlossen und ich will mir gar nicht
vorstellen, wie es im Hochsommer hier aussieht. Bereits ein
Wochenende Ende Mai hinterlässt einen schmutzigen Strand voller
Abfälle. Nicht einmal die Möwen können mit den Essensresten der
Picknicke vom vergangenen Freitag.
Die unterschiedlichen Orte
erinnern mich an abseits der Touristenströme liegenden Badeorte
Andalusiens in den 1980er Jahren.
Bald
heisst es die Küste verlassen, kein direkter Weg führt entlang des Meeres. Die
Fahrt durch die fruchtbare Hügellandschaft mit seinen unzähligen
Kurven entschädigt den Reisenden mit seiner einmaligen Landschaft
und Ausblicken auf die grünen Täler und das Mittelmeer.
Ob man bei
klarem Wetter die knapp 200 Kilometer entfernte Küste Almerias sehen
kann? Die Strassenschilder warnen nicht nur vor den Kurven, sondern
auch vor Schafherden und Wildschweinen. Letztere haben wir nicht
angetroffen.
Bei Aïn Temouchent verlassen wir erneut die
Hauptstrasse und fahren erneut an die Küste, nun von Beni Saf. Seine
Existenz verdankt der Ort den Eisenmineralien, die seit der Antike in
der Umgebung gefunden wurden. Die Stadt wurde 1876 als
Verschiffungshafen. Weitere Produkte der Stadt sind Zink, Marmor und
Onyx, auch die Fischereiindustrie ist umfangreich. Die Erdgaspipeline
Medgaz verbindet Beni Saf mit der Playa del Perdigal in Almería,
Spanien. Die nächstgelegene aktive Mine, Rhâr el-Baroud, liegt 3
Kilometer südlich, und Beni Saf ist durch Förderbänder und lange
Tunnels mit den umliegenden Erzlagerstätten verbunden.
Mitten in der
Stadt steht als Monument eine alte verrostete Anlage.
Auf
einer steilen Nebenstrasse verlassen wir den Ort und geniessen die
Fahrt durch die Landschaft und die Ausläufer des Tarara Gebirges bis
nach Honaine zu Füssen des Tigra Berges, das zur Zeit von El Andalus
für das Königreich Tlemcen von grosser Bedeutung war und den
befestigten Hafen am Mittelmeer bildete. Das Hafenbecken ist auf zwei
Seiten natürlich durch steil abfallende Felsberge geschützt. Vor
dem Hafen liegen kleine Inselgruppen und von den umliegenden Bergen
bringt der Tafna Fluss Wasser in den Ort. Vom Hafen bis zu den
Ausläufern des Gebirges verliefen dicke Wehrmauern, durchsetzt mit
Wachtürmen. Teile der damaligen Anlage stehen heute noch wie die
Fischfaktoreien im Tal, welche sicher bis auf die Phönizier zurück
zu führen sind. Der Ort wurde bereits im 12. Jahrhundert vor
Christus von den Phöniziern gegründet und "Gypsaria-Portos"
oder das Haus des Gipses genannt. Der Ort war damals bereits bekannt
für seinen Reichtum an Marmor, unter anderem auch der seltene
Schwarze.
Die
Überreste der Stadtmauer von Hone aus der Blütezeit der Almohaden
sind heute Zeugen vergangener Pracht und Macht und wie wichtig der
Ort für die Handelsströme zwischen den beiden Ufern des Mittelmeers
war.
Der
Gründer der Almohaden-Dynastie, Ibn Ali El Koumi, der sich später
in Marrakesch niederliess, wurde in Tajra geboren, einem nahen Hügel
mit Blick auf Honaïne, zwei Kilometer westlich. Im Jahr 1162
schlossen sich Oran und Honaïne zusammen, um die sagenumwobenen
hundert Schiffe unter dem Kommando von Abd El Moumen Ben Ali zu
bauen.
Hone beherbergte den Hafen der Meriniden, der später
zum wichtigsten Hafen der Almohaden in Nordafrika wurde und einer der
beiden Häfen der Tlemcen-Zianiden bildete. Der Hafen wurde 1534 nach
einer kurzen spanischen Besetzung teilweise zerstört. Honaine
erlebte in seiner Geschichte die Ankunft einer grossen Zahl
maurischer Flüchtlinge, welche nach dem Fall des Königreiches
Granada im Jahre 1492 eine neue Heimat in Nordafrika suchten und über
den kurzen Seeweg von Almeria nach Hone flüchteten.
Steil
führt der Weg von der Bucht hoch in die umliegenden Gebirge. Hier
waren einmal endlose Wälder, heute kahles mit Gestrüpp bewachsene
Hügel. Wir fahren auf der Bergkuppe weiter Richtung Westen, vorbei
an Ziegen- und Schafherden. Bewacht werden sie von einzelnen Hirten
mit ihren zahlreichen Hunden. Keine Dörfer, keine Behausungen, weit
und breit bis wir auf die Hauptstrasse nach Ghazaouet stossen. Der
westlichste Fährhafen Algeriens wird mit einer vierspurigen Autobahn
mit dem Landesinnern verbunden. Auf der rechten Seite liegt der
Fischerhafen. Die Restaurants sind nur mittags geöffnet. Der Zugang
zum Fährhafen wird überwacht. Einmal in der Woche in der
Nebensaison überquert eine Fähre die knapp 200 Kilometer bis nach
Almeria in rund 7 Stunden. Weiter westlich liegt der Frachthafen,
auch hier werden Blei-, Zink- und Eisenerze verschifft. Die Eisenbahn
für nur Güterverkehr führt bis zum Hafen.
Das eigentliche
Städtchen liegt in der Mündung des Flusses. In der Mitte ein
grösserer Platz mit zwei riesigen alten Palmen und der damaligen
katholischen Kirche, welche heute als Kulturzentrum genutzt wird und
eine Bibliothek beherbergt. Häuser, teilweise aus dem Ende des 19.
Jahrhunderts säumen die Hauptstrasse. In zweiter Linie sind die
typischen andalusischen einstöckigen Fischerhäuser mit ihren blau
gestrichenen Fensterläden noch immer bewohnt. Auf dem kleinen Markt
wird frisches Gemüse, die ersten Aprikosen und Pfirsiche neben
frischem Fisch angeboten. Es riecht nach frisch gebackenem Brot. Wir
werden freundlich gegrüsst, eingeladen, Fotos zu schiessen. Hier
hätten früher viele Franzosen gelebt oder, besser erklärt, Spanier
mit französischem Pass. Die französischen Kolonialbehörden waren
dankbar für die spanischen Einwanderer, welche zur Ernte einreisten
und später in den Minen arbeiteten. Ihre Situation wurde
legalisiert, indem sie den französischen Pass erhielten und so zu
Franzosen wurden. Heute sind keine Spanier, weder Franzosen im Dorf
zu finden. In der Neustadt wurde ein neues, sehr nettes, sauberes,
familiär geführtes Hotel gebaut, das Fort Season. Das Zimmer mit
Frühstück kostet in der Nebensaison 4000 Dinar, also rund 20 €.
Folgt man dem lauf des Flusses Oued Kiss erreicht der Reisende den
malerischen Hafenort Marsa Ben Mehidi mit seinem langen, feinsandigen
Strand. Schwimmend wären es ein paar kräftige Züge und ich wäre
in Saidia, Marokko, wenn da nicht eine bewachte seit Jahren
geschlossene Grenze wäre.