Wohnhaus Oran

15.03.2023

Algerien war keine gewöhnliche Kolonie, sondern der Prototyp einer französischen Siedlungskolonie und galt in Frankreich als elementarer Bestandteil der Republik. Dies zeigt sich auch an der Art der Wohnhäuser. Sie wurden gebaut, um zu bleiben, um Hunderte von Jahren den Franzosen in der Ferne eine Heimat zu geben.
Am 1. November 1954 begann der algerische Unabhängigkeitskrieg unter Führung der FLN mit koordinierten Bombenanschlägen in ganz Algerien. 1962 wurde Algerien unabhängig. Die Folgen der algerischen Unabhängigkeit für Frankreichs Sozialgefüge waren verheerend.
Gewaltsame Ausschreitungen gegen Algier-Franzosen nach der offiziellen Loslösung von Paris am 5. Juli lösten einen Massenexodus der "Pieds noir" aus. Allein 1962 erreichten fast eine Million ehemalige Siedler französisches Festland. Nicht mitnehmen konnten sie ihre Wohnungen ausser den Hausschlüsseln. Geblieben sind aber die Steine. Die Mauern erzählen noch halblebig von einer anderen Zeit. Die Bewohner aber sind nun die Algerier.

Dieses Wohnhaus befindet sich heute an der 20, Boulevard Zighout Youcef, der Fortsetzung der zentralen Boulevard Emir Aek, die hoch ins Plateau führt. Während der Zeit der Franzosen fuhr bereits die Strassenbahn durch die Boulevad Seguin. Wie früher die nach dem algerischen Freiheitskämpfer Zighout Youcef genannte Strasse früher hiess, bin ich noch am Recherchieren.
Die Aussenfassade weist viele Stuck-Elemente auf, Erbe aus dem Barock. Stuck hat keine praktische Funktion, beschert den Fassaden jedoch ein opulentes Aussehen.
Als Stuck werden plastische Schmuckornamente und Ausformungen bezeichnet, die Wände, Gewölbe, Säulen und Decken verzieren, wie hier den sehr pompösen Hauseingang. Schon in der Antike war Stuck ein wichtiges Gestaltungselement für Innenräume, Fassaden und sogar Möbeloberflächen.

Wie eine Schleuse zwischen aussen und innen fungiert die Eingangssituation eines Gebäudes, sie schliesst oder öffnet sich. Aus gutem Grund ist die Tür zu einem Gebäude meistens verschlossen. Wem aber Einlass gegeben wird, soll sogleich einen positiven Eindruck des Gebäudes und dessen Bewohner bekommen. So sind viele Gebäude aus dieser Epoche mit einer riesigen Eingangshalle gebaut. Die Wände sind reich verziert und sogar von der Diele winken dem Besucher Engel zu.

Im Jahre 1854 erfand Elisha Otis den Sicherheitsaufzug, der mithilfe einer Sicherheitsbremse das Abstürzen des Fahrkorbs verhindert, wenn das Seil reisst. Somit war die Möglichkeit von Personenaufzügen in modernen Wohnhäusern geschaffen, was für die Besucher einen weiteren Beweis des Reichtums der Bewohner vermittelte.