Zugfahrt nach Oran

09.01.2023

Genau um 6 Uhr morgens weckte mich der Ruf des Muezzin von der nahen Moschee. Danach fingen die Möwen über Algier zu kreischen und das Gurren der Tauben setzte ein wie zu Hause.
Nach dem Frühstück brachte mich das Taxi zum Bahnhof. Ich hatte noch genügend Zeit für ein Café und etwas Süsses. Der Zug war pünktlich, doch zuerst musste ein technisches Problem gelöst werden, sodass wir mit einer halben Stunde Verspätung die Hauptstadt verliessen. Unterwegs musste nochmals auf die Freigabe einer Teilstrecke gewartet werden und so sind wir erst nach 6 Stunden in Oran angekommen.
Die Landschaft unterwegs war wie überall im nördlichen Afrika. Weite Ebenen, dahinter Hügel, welche uns entweder vom Meer abgrenzten oder Ausläufer des Tell Atlas sind. Gemüsefelder mit verschiedenen Kohlsorten und Artischocken wechselten sich ab. Später standen auch Olivenbäume entlang der Bahnschienen. Kleinere Orte wurden hupend und im Schritttempo durchfahren. Der Abfall und rumfliegende Plastiktüten vor und nach den Dörfern war ein landestypisches Bild.
Im Zug gab es eine kleine Bar mit Sandwiches und Getränken.

Vom Bahnhof bin ich gerne die 500 Meter bis zu meinem Hotel spaziert. Zimmer mit Sicht auf die Stadt und das Meer! Nach einem ersten kürzeren Spaziergang erfrische ich mich und dann auf die Suche nach einem Fischrestaurant. Vielleicht finde ich etwas vor dem Strand, der rund eine halbe Stunde vom Hotel entfernt ist.

Im Scotch-Club in Oran, während der längst vergangenen Blütezeit des 20. Jahrhunderts der Stadt sprach man spanisch, seltener französisch und überhaupt nicht arabisch. Man tanzte zu amerikanischer und andalusischer Musik, trank Whisky. Im Restaurant "Le Fouquets" am Boulevard Emir Andel Kader und in der "Brasserie de Provence" an der Rue d'Alsace-Lorrain war die Koche nicht schlechter als in einem Speiselokal einer französischen Grossstadt. Vor dem "Café Royale" an der Place Foch sassen die Gäste an den gleichen kleinen Tischchen wie in einem Strassencafé in den romanischen Ländern.

Oran galt einmal als die europäischste Stadt Nordafrikas. Von den 300'000 Einwohner stammten 200'000 aus Europa, die meisten waren Spanier, allerdings französischer Nationalität. Europäische Häuser säumen die Strassen und Plätze. Vor vielen Jahren waren abends die Strassen erfüllt vom Geruch schwarzer Zigaretten. Die unzähligen Bars und Strassencafés konnten die Gäste kaum fassen, die zum Anisett kamen, um eine oder zwei Stunden miteinander zu plaudern, ehe sie nach Hause gingen, wo sie spät, wie es die Spanier gewöhnt sind, zur Nacht speisten. Die Europäer arbeiteten nicht nur als Direktoren, sondern auch als Pförtner, Taxifahrer und Hilfsarbeiter in Fabriken.
Auch Albert Camus lebte während seiner zweiten Ehe eine Zeit in Oran. Bilder nebenstrassen.com
Ich bin gespannt, wie es heute aussieht.