Bukarest

27.01.2024

Wie schon einige Male erwähnt stehen die grossen Kulturdenkmäler in den Städten und leider nicht auf dem Lande. Ich versuche bei einem Städteaufenthalt immer irgendwie ein Zimmer in einen Aussenviertel zu mieten und marschiere dann mit Kamera und Schreibblock Richtung Innenstadt. So auch in Bukarest. Ich bin etwa 5 Gehminuten vom Bahnhof Nord entfernt und somit vom Zentrum zu Fuss, rund eine Stunde. Gestern Abend musste ich, wie bereits in anderen Städten im Osten und Norden Europas feststellen, dass die Wohnviertel zu reinen Wohnvierteln geworden sind. Es ist sehr schwierig ein Restaurant, ein Café oder eine Bar zu finden und dies trotz der Nähe zum Bahnhof, wo es ein paar internationale Fastfood Läden gibt. Auf dem Bahnhofsplatz sind Spielkasinos und Sexläden dafür reichlich vertreten. Letztere sind bei uns sozusagen ausgestorben, hier leben sie noch einer neben dem andern, wie zu alten Zeiten.

Heute morgen lasse ich mir Zeit, die Stadt kann noch ein bisschen warten. Auf dem Weg der Hauptstrasse entlang fällt mir auf, dass es sehr ruhig ist, fast keine Autos, noch weniger Menschen. Ruhen sich die Rumänen am Samstag bereits aus? Es gibt in meiner Gegend auch keine grösseren Geschäfte, die werden sich wohl alle in einem anderen Viertel befinden. Auf der rechten Seite sehe ich schon von weitem ein riesiges Gebäude. Im näher kommen weiss ich nicht, ob es sich um eine Baustelle handelt oder bereits um eine Ruine. In Google Map ist an der Calea Plevnei ein riesiges weisses Grundstück ohne Namen eingezeichnet. Also muss es sich um einen stillgelegten Neubau handeln. Weiter spaziere ich an Wohnblocks der 1970er Jahre vorbei und an noch älteren Wohnhäusern und Fabriken mit angeschriebenen Jahreszahlen bis 1910. Viele sind verlottert, in anderen Leben Menschen. Die Jahre welche an den Fassaden, an den Fenstern und an den gusseisernen Gittern und Balkonen genagt haben, ermöglichen gelungene Fotos. Eine alte Strassenbahn aus der Sowjetzeit rumpelt über die Kreuzung. Wenn ich da an die modernen Trams in Cluj denke... Auch war in Cluj alles farbenfroher und es gab mehr Fahnen an der Strasse und nicht nur die rumänische, sondern immer mit der Europa Flagge. Hier hängt Europa nur an den offiziellen Gebäuden. Ich nähere mich dem Zentrum. Auf einem der ersten Plätze steht stolz in der Mitte eine riesige Statue von Piata Mihali Kogaliceanu. Früher hätte ich leer schlucken müssen, heute google ich. Mihali war ein rumänischer Politiker, Historiker und Publizist und lebte im 19. Jahrhundert. Nach wenigen Metern stosse ich auf den begradigten und zwischen Betonwänden fliessenden Fluss Dâmbovita. Gleich hier an der Kreuzung stehen sich zwei herrliche Bauten gegenüber. Ich überquere den Fluss und spaziere seinem Lauf entlang bis zur nächsten Brücke. Hier führt die Strasse etwas den Hügel hoch. Auf der rechten Seite das riesige Gebäude des Historischen Museums und gegenüber der Hauptsitz einer Bank mit riesiger Kuppel, leider für Nichtkunden nicht zugänglich. Hinter dem Museum versteckt sich die Nationalbank und das orthodoxe Kloster Stavropoleos. Es wurde 1724 im Brâncoveanu Stil von einem griechischen Mönch gebaut und gilt als eines der schönsten und bedeutendsten Denkmäler der Stadt. Dahinter kreuzen sich die Strassen der Altstadt, Fussgängerzone und der Teil, wo sich Bukarest trifft, wenn bereits seit Stunden die Sonne untergegangen ist. Neben dem lebhaften Nachtleben mit Clubs, Discos und Stripteaselokalen gibt es Restaurants der verschiedensten internationalen Ketten und aus allen Herrenländern von Griechenland über Korsika bis hin nach Korea. Vor allem lokale Gäste und etwas Touristen schleichen heute Vormittag durch die Gassen. Vor jedem Lokal animiert eine junge Dame oder Herr etwas zu trinken oder zu essen. Der Glanz der Lokale mag den Zerfall der Häuser tagsüber nicht zu überdecken. Nachts sehen ja dann wieder alle Katzen gleich aus und die rot blinkenden Reklamen der Massagesalons zeigen an, dass hier von 22 bis 6 Uhr geöffnet ist.
Ich bin enttäuscht von der Altstadt, erfreut über ein paar gelungene Aufnahmen und mache mich weiter bis zum Kunstmuseum und dem Universitätsgebäude von Carlos I. Die Universität Bukarest wurde im Jahre 1694 gegründet und als die Akademie des Heiligen Sava gegründet. Anfänglich wurden nur Theologie und Philosophie in Griechischer Sprache unterrichtet. Erst 1776 kamen Vorlesungen auf Französisch, Italienisch und Lateinisch dazu. Auf Parallelstrassen schlenderte ich zurück zum Fluss und auf die andere Seite zum Parlamentspalast. Im sozialistischen Klassizismus gebaut, war das riesige Gebäude mit einer Nutzfläche von 365.000 m2 früher das Haus des Volkes. Der Palast steht auf einem Hügel am Ende der drei Kilometer langen Bulevardul Unirii. Am Boulevard stehen herrliche Wohnhäuser und in den Ladenlokalen sind Luxusmarken vertreten und viele Kleidergeschäfte für die zukünftige Braut. Um den Park Unirii finden sich die Malls mit internationalen Modehäusern und dem gelben Fastfood Riesen M.

Über die Strasse gelange ich wieder in die belebte Altstadt. Gleich beim Eingang liegt die St. Antonius Kirche. Gegenüber liegt das typische rumänische Restaurant Hanu lui Manuc für Touristen. Die Aussenfassade mit seinen Kachelfenstern und der hölzerne geschlossene Balkon über dem Eingang, sowie der riesige Innenhof sind sehenswert. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und wurde im 1769 von einem osmanischen Gastwirt, Bay Manuc, gegründet. Aus Beschreibungen aus dem 19. Jahrhundert ist ersichtlich, dass das Gasthaus über 15 unterirdische Weinkeller sowie 23 Geschäfte im Erdgeschoss, zwei grosse Aufenthaltsräume im zweiten Stock, zehn Hütten mit Schlafgemächer für Bedienstete, verschiedene Küchen und einen länglichen Tunnel der 500 Gästen Platz fanden, hatte. Gleichzeitig war es auch ein Hotel mit über 100 Zimmern. Im Hof gab es schon damals ein Café mit einem kleinen Garten und Brunnen. Der Gasthof war mit dem Fluss Dâmbovita über einen steinernen Pier verbunden.

Wieder hatte mich die grässliche Altstadt und auf Umwegen kehrte ich in mein Appartement zurück. Ein Tag Bukarest, ohne Museumsbesuche und ohne ins Nachtleben einzutauchen hat mir gereicht.