Engelsaalsession N°.6
Emmenbrücke (Luzern), 26. Januar 2023, Gasthaus Adler
Mein Kollege Lean und ich betreten das Gasthaus Adler. Überraschenderweise kennt er das Restaurant aus vergangenen Familienfeiern. Doch seit 14 Monaten ist eine neue Wirtin auf dem Lokal, Gabriela Niederberger. Sie hat es in wenigen Monaten geschafft, aus dem Adler mit seinem Engelsaal einen kulturellen Mittelpunkt für Emmenbrücke zu schaffen. Wir grüssen die anwesenden Gäste am Stammtisch. Gabriele führt uns an den reservierten Tisch. Eine kleine erlesene Speisekarte wird uns präsentiert. Als Vorspeise wählen wir Linsensuppe, verfeinert mit Kokosmilch und Koreander. Lean wählt als Hauptgang Tomaten-Basil-Sugo und ich entscheide mich für ein sehr fein und butterweiches Schnitzel mit Pommes. Dazu einen halben Liter italienischem Weines der Bodega Roberto Sardotto aus Neviglie, Piemont. Ein Langhe Nebbiolo 2021. Die Gaststube füllt sich. Je näher die Zeit der Engelsaalsession heranrückt, desto mehr Gäste finden sich ein. Wir wurden kulinarisch verwöhnt, Gabriela und ihr Mitarbeiter kümmerten sich bestens um uns. Der Engelsaal befindet sich direkt hinter der Gaststube.
Beat
Portmann, ich kenne Dich aus deinen Büchern, deinen Romanen und
deinen Geschichten. In jedem Buch finden sich Figuren, welche etwas
über Dich erzählen, in denen sich der Schriftsteller finden lässt,
wie mir auch deine Frau Judith bestätigt.
Heute
stehst Du vor mir als Mensch, etwas schüchtern, verlegen und nervös.
Du stehst auf der Bühne vor mir und dem zahlreich erschienen
Publikum als Musiker. Als Musiker, der sich stolz zu seiner
Muttersprache, dem Schwyzerdütsch bekennt und zahlreiche "ehm"
zwischen den Worten einfügt. Meine Generation verwendete eher
"oder", was für Luzerner damals typisch war.
Mit der Wahl
"Schwyzerdütsch" bist Du dir bewusst, dich geografisch
einzuschränken. Ist doch die Sprache begrenzt auf eine kleine Region
und grenzt sich ab zum Deutsch von möglichen 80 Millionen von
Zuhörern. Du trinkst aus dem Bierglas, das wieder eher zu deinem
anderen ich, Frank Landsteiner, aus dem Bestseller "über Nacht"
passt. Fehlen tut mir das Zigarettenpaffen, der Rauch, der aus den
Seiten deiner Bücher qualmt. Du zupfst auf deiner Geige, der Ton ist
so speziell wie die Zeilen deiner Bücher. Zwischen den Liedern
erzählst Du von deiner Jugend, dem Internat, den ersten Kontakten zu
Musik und Kultur. Du erzählst, wo Du eine Geige mit Löwenkopf
gefunden hast. Das Unverständnis von Seiten von Musik Koch auf
deinen Wunsch nach einer 5. Saite. Persönliche Anekdoten mischen
sich mit der Musik.
Dein
heutiger Gast ist Veronika Stalder. Ein purer Gegensatz zu dir als
Gastgeber.
Frau, reizend hübsch, lächelnd, einen südländischen
Blick in den tiefen braunen Augen, träumerisch, verführerisch. Ihre
Lieder auf Englisch, begleitet mit der Akustikgitarre lassen den Raum
schweigen und mit Zuneigung erfüllen. Dazu die sanften Töne der
Geige, welche die Songs begleiten, als würdet ihr beiden seit Jahren
miteinander musizieren. Zwischen den musikalischen Vorträgen wird
immer wieder gefragt, diskutiert, viel erzählt. Das Publikum erfährt
so einige private intime Seiten auch von Veronika.
Mit
ihrer berührenden und virtuosen Gesangsstimme taucht Veronika ein in
die Tiefen ihres Universums und nimmt ihre Zuhörer mit auf den Weg.
Sie erzählt daraus Geschichten und malt Traumbilder.
Veronika
lässt in ihrer Musik Folk, Soul und Jazz ineinanderfliessen. Das
Publikum spürt ihre musikalische Seele, fühlt sich in
verschiedensten Musikstilen und -kulturen zu Hause. Begleitet von der
fünfsaitigen Geige, Beat's Violine. Mit jedem Song, mit jeder Minute
wird Beat lockerer, wird verschmitzt. Ein Solo des Gastgebers. Er
zupft die Melodie auf seiner Geige und singt dazu. Mit seinem Lied
ruft er einen besonderen Zustand, eine spezielle Stimmung im Saal
hervor. Die Verbindung von Lyrics und Musik spricht an, geht tief,
löst Emotionen aus. So verschieden beide Artisten, so verschieden
auch ihre Musik. Doch sie schaffen es während der zwei Stunden ohne
Pause sich zu finden in der Musik sowie im Gespräch. Wie Beat auf
seiner Webseite die Auftritte selber beschreibt, eine Mischung aus
Konzert und Werkstattgespräch rund um die Faszination für das Lied,
ein Bühnenexperiment mit offenem Ausgang.
Der Ausgang war so offen, dass wir nicht nur einen, sondern gleich mehrere Züge nach Basel verpassten. Aber irgendwie haben wir es geschafft und kurz nach 2 Uhr morgens war auch ich wieder zu Hause.
Nach
der Zugabe von Veronika blieb das Publikum sitzen, diskutierte
untereinander weiter über das, was vor einem Moment noch auf der
Bühne geschah. Beat und Veronika mischten sich unter die Gäste,
nehmen die Gratulationen freudig entgegen. Das Publikum wird eins mit
den Musikern. Der Abend setzt sich fort mit Zigaretten vor dem
Gasthaus. Mit Drinks im Gastraum. Ich nehme die Gelegenheit war mit
der Frau von Beat zu sprechen. Wer sie ist, merkte ich erst am Kuss
nach dem Konzert der ersten Geste Beats nach dem offiziellen Teil des
Abends. Judith sprach offen über ihre Ehe mit einem Künstler, einem
Schriftsteller, einem Musiker, einem Bohemien. Ich spürte ihren
Stolz in ihren Augen leuchten. Sie kannte die Bücher Beats ins
kleinste Detail. Erzählte mit Freude über einen neuen Roman der in
der Endphase steckt. Aber auch über die Sorgen einer
Veröffentlichung werden erwähnt. Judith erzählte von Beat's Liebe
zum Projekt Engelsaalsession, seinen Kampf und Enthusiasmus beim
Schreiben, der Hoffnung auf die wohlverdiente Anerkennung. Eine
starke, selbstbewusste Frau steht nicht nur hinter einem Künstler,
nein, sie steht bei und mit ihm. Judith lässt Beat schweben, weiss
aber jeden Moment, ihn auf den Boden zurückzuholen.
Die
letzten Minuten vor unserem Abschied sprechen wir mit Beat. Wir
freuen uns auf ein Wiedersehen, auf weitere Musik und auf sein neues
Buch, ein Liebesroman!