Ghardaia - Algerien

12.03.2023

Dort, im fesselnden Süden und inmitten der Schönheit der sandigen Oasen, der Glätte, der Weichheit des Glanzes des Himmels und des goldenen Sandes, wurde eine Hymne komponiert, um mit melodiöser Stimme die Wunder einer leuchtenden Stadt zu singen wie ein majestätischer Stein in der weiten algerischen Sahara. Es ist die Stadt Ghardaia, in der alles so beeindruckend und besonders ist, wo die Natur die schönsten Landschaften gemalt, die Sonne ihre schönsten Lichter gewebt und die Schöpfung der Zivilisation ihren Höhepunkt erreichte. Ghardaia zeichnet sich durch seinen attraktiven touristischen Charakter und durch sein grossartiges architektonisches Erbe aus. Wir können dies durch seine fünf Ksour des Mzab-Tals sehen, die wie ein Mosaik erscheinen, dessen Ornamente Schöpfung, Licht und Farben sind.

Vor mir liegt die Fünf-Städte-Oase der Mozabiten. In der Mitte Beni-Isguen, eine kubistische Fata Morgana aus Weiss und Sandbraun vor blauem Himmel. Dahinter, etwas rechts sehe ich Melika und noch weiter im Hintergrund Ghardaia, der grösste Ort, Namensgeber der ganzen Region. Der Fluss, der das Tal mit den Jahrhunderten geformt hat, führt, wenn überhaupt, nur einmal im Jahr Wasser. Der Grundwasserspiegel liegt aber hoch genug, dass die verschiedenen Brunnen über das ganze Jahr Wasser geben.

Besichtigung Beni Isguen
"Liebe Besucher! Palmenhain und Bewohner heissen Sie herzlich willkommen. Wir bitten Sie, unsere Stadt in Begleitung eines örtlichen Führers zu besichtigen." Mit diesen Worten empfängt der Ort den Fremden und bittet ihn zudem nicht zu rauchen und keine Einheimischen zu fotografieren. Bis vor wwenigen jahren wurden nach Sonnenuntergang die Stadttore geschlossen und erst wieder nach dem Frühgebet geöffnet. Fremde dürfen nachts noch heute nicht innerhalb der Stadtmauern bleiben. Die Einwohner heiraten nur unter sich. Den Männern, denen der Besucher begegnet sind alle sehr freundlich und gerne zu einem Gespräch bereit. Es gibt auch, wie überall, viele lärmende Jungen und Mädchen. Frauen sieht man aber sehr selten.
Der Ort wird auch heute noch von einer Mauer total umgeben. Alte Tore, die den Ein- und Ausgang zur Stadt kontrollierten, alte Türen aus Palmenholz und von einem der Wachttürme geniesst der Besucher einen einmaligen Ausblick auf die Stadt und den Palmenhain, der sich mehrere Kilometer von der Stadt weg erstreckt. Zwei grössere Wege führen durch die Gärten. Die Schöpfbrunnen werden heute von Motorpumpen betrieben. In die steile Felswand gehauen finden wir eine Moschee. Daneben der Friedhof. An den heissen Tagen werden Wasserkrüge vor das Haus gehängt, damit sich die Familie und Vorübergehende erfrischen können.
Mit Mut und Ausdauer haben es die Mozabiten geschaffen die harte Natur zu überwinden und sogar zu überlisten und sich einen Garten Allahs auf Erden zu schaffen. Dennoch werden auch sie verfolgt von der Sünde und sicher viele wünschen sich, dass ihre Kinder und Kindeskinder eine etwas weniger durch die strenge Moral eingeengte Lebensweise führen dürfen, ohne dass die seit tausend Jahren bestehende Gemeinschaft in Gefahr gerät.
Auf dem Hauptplatz von Beni Isguen finden täglich öffentlichen Versteigerung von Teppichen und anderen Gegenständen statt. Unterirdische Moschee, wo kleine Becken aus Sand stehen für die Alten, die ihre rituellen Waschungen vornehmen sollte können ausserhalb der Gebetszeiten mit Respekt besucht werden. Eine andere Moschee, deren ungleichmässiges Gewölbe in einem wunderbaren blauen Licht schimmert, soll Le Corbusier für den Entwurf von Ronchamp inspiriert haben.
Diese und weitere Sehenswürdigkeiten entdeckt der Besucher durch gutes Glück bei Spaziergängen (ihre Lage ist kaum festzulegen) und dank der Hilfe des offiziellen Führers.

Besichtigung Ghardaia
In Ghardaia befindet sich das Musée M'Zab. Das Museum zeigt das Innere eines mozabitischen Hauses mit Möbel, Gewebe, Teppichen und Gegenständen des täglichen Gebrauches. Der Place du Marché, ausserhalb der Stadtmauer, wird von Arkaden und Läden umsäumt. Ein idealer Treffpunkt bis spät in die Nacht.
Im Verwaltungszentrum im Süden der Stadt befinden sich die Post, verschiedene Büros und kleinere Hotels. Das schönste ist aber, in den steilen Gassen, im Labyrinth der Wege herum zuschlendern. Von den verschiedenen Plateaus der Stadt geniesst der Besucher, je nach Tagesstunde, die verschiedensten Perspektiven und Lichteinflüsse auf die Häuser, die vor allem in Bou Isguen wie Wohnwaben aussehen. Unter uns liegen Friedhöfe mit Töpfereischerben übersät. Die Mozabiten geben ihren Verstorbenen ihr Essgeschirr und Trinkbecher mit auf die letzte Reise.

Die weiteren Oasen
Weitere Oasen der Mozabiten sind Melika, die Königliche. Sehenswert ist der Friedhof mit dem Grabbezirk des Sidi Aissa und seiner Familie. Der weite freie Gebetsplatz vor dem oberen Stadttor und die hier typischen Gassen der Altstadt.
Bou Noura, steigt braun-weiss-bläulich zum Minarett empor. Das Wachstum der Stadt erkennt man an den verschiedenen Häuserringen.
El-Ateuf, der älteste Ort an der Biegung des Oued, hat ebenfalls einen täglichen nachmittäglichen Markt. Auf dem Friedhof werden die Toten nicht begraben, sondern mit Steinen bedeckt, so dass sie in der trockenen Hitze zu Mumien werden. Durch die mit Schwibbögen überdachten Gassen gelangen wir zur alten Moschee, deren Minarett als das älteste der Region gilt.

Geschichte der Mozabiten
Der dritte Kalif nach dem Propheten Mohammed, Othman, wurde ermordet. Mu'awiya wollte diese Tat im Jahre 656 rächen und zwang Ali, den Schwiegersohn des Propheten und vierten Kalifen, sich einem Schiedsspruch zu unterwerfen. Dies wurde aber von Ali abgelehnt und als Verrat gegenüber Gott, dem einzigen Richter, bezeichnet. Die Gruppe der Ibaditen entstand. Nach der Ermordung Alis im Jahre 661 führte ein persischer Heerführer die Ibaditen ins Exil nach Nordafrika. Nach einem ersten Aufenthalt in Tiaret, Tunesien, mussten sie weiter nach Sedrata. (Siehe Ouargla S. xx). Die Überlebenden flüchteten in die Tiefe eines Tales in der unfruchtbaren Wüste im M'Zab, wo wir uns heute befinden.
El Ateuf wurde als erste Oase im Jahre 1011 gegründet. Erst 500 Jahre nahm sie das heutige Aussehen einer Festung an. Die anderen Orte wurden mit dem einwandern von weiteren Mozabiten gegründet. Bou Noura war die zweite Stadt. 1048 entstand Ghardaia (Die Grotte der Daia, Mädchenname). Melika, die Königin, nahm die beherrschende Stellung der Oasen ein. Erst 300 Jahre später wurde die fünfte Oase, Beni-Isguen, die Fromme, gegründet. Der Rahmen und der Lebensstil aller Oasen sind gleich. Alles, Sitten, Verfahren, Architektur, ist einer Ordnung unterworfen und diese stammt direkt von Allah, Gott, ab.

Die Oasen wurden sorgfältig gepflegt und dank einem durchdachten Bewässerungssystem wurde aus der Wüste fruchtbares Land. Doch bald genügten die Erträge nicht mehr, um die ganze Gemeinschaft zu ernähren. Die Bewohner wandten sich dem Handel zu. Einige wanderten aus in die Städte Nordalgeriens, Tunesiens und Marokkos. Sie eröffneten Läden und erwarben den Ruf ehrliche, sparsame und gewandte Händler zu sein. Die Auswanderer wollten möglichst schnell zu Vermögen kommen, um die Familie, das Haus und die Gärten der fernen Oase weiterhin zu unterstützen. Es ist noch nicht lange her, da war es für die Männer verboten mit ihren Frauen aus der Oase zu ziehen. Damit zwang man die Männer zur Rückkehr, um ihre Kultur in der Heimat fortzusetzen.

Albert Camus
Albert Camus beschrieb in seinem Roman "Der erste Mensch", rororo 13273, Seite 103, dass die mozabitischen Krämer des Viertels jahrelang von nichts und ohne Frauen in ihren nach Öl und Zimt riechenden Ladenhinterzimmern lebten, um ihre Familien in den Städten des Mzab zu unterhalten. Camus beschrieb die Mozabiten als Stamm von Häretikern, so etwas wie Puritaner des Islam und von den Orthodoxen auf Leben und Tod verfolgt, vor Jahrhunderten an einem Ort gelandet waren, den sie sich ausgesucht hatten, weil sie ganz sicher waren, dass niemand ihn ihnen streitig machen würde, da es dort nur Kieselsteine gab, so weit von der halbwegs zivilisierten Welt an der Küste, um dort rund um knausrige Wasserstellen ihre Städte aufzubauen und sich diese sonderbare Askese auszudenken, die kräftige Männer zum Handeltreiben in die Küstenstädte zu schicken, um diese Schöpfung des Geistes und nur des Geistes zu unterhalten, bis diese von anderen ersetzt werden und in ihr mit Erde und Schlamm befestigten Orte zurückkehren konnten, um sich an dem endlich für ihren Glauben errungenen Reich zu ergötzen. Das reduzierte Leben, die Härte dieser Mzabiter konnten demnach nur im Zusammenhang mit ihren höheren Zielen beurteilt werden.

Wasser
Im ganzen Tal ist das Wasser knapp. Nur wenige Tage im Jahr gibt es Regen. Trotzdem haben die Mozabiten nun fast 1000 Jahre hier überlebt. Das Gefühl der Solidarität, eine moralische Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft und der Glaube erlauben es, sich einer strengen Disziplin zu unterwerfen. Ob früher aus Brunnen geschöpft, heute über Wassertürme und Rohrsysteme verteilt, dass kostbare Nass wird unter allen Bewohnern nach alten Regeln aufgeteilt.
Einfache Regeln, die Reinheit der Linien, die Proportion von Mensch zum Wohnraum, die Knappheit der Mittel und vor allem die Funktionalität bestimmen die Architektur der Oasen. Man findet in der ganzen Pentapolis keine überragenden Gebäude. Sogar die Moschee weist keine strukturellen oder ornamentalen Unterschiede zum gewöhnlichen Wohnhaus auf. Man findet keine Paläste. Dennoch sind diese Städte von einzigartiger Schönheit, von einzigartiger Schlichtheit, dass noch heute namhafte Architekten neue Inspirationen in ihnen holen.

Gärten
Sein Garten ist für jeden Mozabiten eine Leidenschaft. Er gilt als ein Teil von sich selber. Mit Geduld, Disziplin und Opfer hat sich jeder ein Stück Paradies auf Erden erschaffen. Sandwege schlängeln sich unter den Schatten der Palmen und entlang der Lehmmauer durch die Gärten. Hinter den Mauern befinden sich die Anlagen mit Granatbäumen voller Früchten, Aprikosen- und andere Obstbäume, in denen am späten Nachmittag die Vögel lärmen. Feigenbäume und Gemüsebeete werden bewässert. Es riecht nach Yasmin und Rosen. Hinten in der Ecke, im Schatten eines Busches, steht ein Esel.

Gegenwart
Heute sind Flugzeuge, Teerstrassen mit Autos, Touristen, Radio und Fernsehen auch in diese Oasen vorgedrungen. Die Mozabiten, Junge und Alte, scheint dies aber nicht zu stören. Ihr Glaube ist Stärker und somit können sie die Einflüsse der modernen Welt akzeptieren. Vom Fremden erwartet man ein Minimum an Diskretion und Achtung gegenüber den Einwohnern und den Kultstätten.