Krieger Architekt
Nach
dem Besuch einer ehemaligen Weltstadt der UdSSR wirken vor allem die
imposanten Bauten nach. In Bukarest ist es vor allen anderen Gebäuden
der Regierungspalast mit seinen 365.000 m2 Fläche, 1.000 m2 für
jeden einzelnen Tag des Jahres. Das ehemalige Haus des Volkes liegt
am Ende einer drei Kilometer langen Boulevard, der aus einem riesigen
Platz erwächst. Der Palast liegt auf einem Hügel und somit leicht
erhöht über der Stadt. Das Gebäude wurde von 1983 bis 1889 nach
den Vorstellungen des diktatorisch regierenden Präsidenten Nicolae
Ceausescu errichtet und von den Einwohnern das Haus des Sieges über
das Volk genannt.
Ceausescu
war nicht der erste Machthaber und sicher auch nicht der letzte
Staatsmann, der seine Macht gegen die Masse mit riesigen
überdimensionalen Gebäuden demonstrierte. Alle Machthaber haben und
hatten ihre eigenen Vorbilder. So auch ein kleiner Mann, der das
Deutsche Reich wieder erstehen lassen wollte. Heute kennen wir das
Ende und erst nach dem Schlussakt wurde uns der Anfang in seinem
vollen Ausmass bewusst. Es soll uns eine Warnung für die Gegenwart
und die Zukunft sein. Eine Warnung die aber nutzlos ist, denn er oder
sie erscheint uns anderswo, sein Aussehen wird anders sein und die
Warnung daher vergebens.
Sein
Reich baute er auf die grösste mögliche Masse auf. Durch die
Erzeugung von Massen ist er zur Macht gelangt. Aber grosse Massen
neigen leicht dem Zerfall hin. Ausser dem Krieg kann der Zerfall der
Masse nur durch eigenen Wachstum und einer regelmässigen
Wiederholung der Huldigungen vermieden werden. Für die
Wiederholungen dienen Gebäude wie Kathedralen, Moscheen und
Synagogen. So hätte der geplante Kuppelberg zu Berlin siebzehn Mal
mehr Raum geboten als die Peterskirche in Rom. Aber in einem
geschlossenen Raum, einmal gefüllt, kann die Masse nicht mehr
wachsen, also werden Wiederholungen benötigt.
In der römischen
und griechischen Antike finden sich bereits die Arenen für
sportliche Veranstaltungen, welche bis heute, zum Beispiel in
Fussballstadion, den gleichen Zweck erfüllen. Die Massen sitzen
zusammen, sich gegenüber, die eine Masse sieht die andere Masse, die
Masse der Gegner, die sich gegenseitig anstacheln und mit Gesten und
Worten bekämpfen.
Er
träumte von Bauten, wie sie seit Jahrhunderten nicht mehr entstanden
sind. Er dachte an Ägypten, an die Pyramiden. Nicht nur wegen ihrer
Grösse, sondern auch weil sie seit Gedenken da sind. Sie haben in
sich die Vergangenheit hin bis zur Gegenwart gespeichert. Sie zeigen
in die Zukunft. Er wollte alles, was vor seiner Zeit war übertreffen.
Seine Unternehmen und seine Wünsche und Träume sind vom Zwang zu
übertreffen geprägt. Damit steht er nicht alleine, er ist nicht der
erste der seine Vorbilder übertreffen wollte. Wer seine eigenen
Vorbilder übertrifft, der ist ein Sieger. Ein Sieger der sich eine
Niederlage nicht einmal im Traum vorstellen kann. Eine Niederlage
würde als Sieg bezeichnet, denn der Stärkere ist gleichzeitig auch
der Bessere. Er verdient sogar in der Niederlage zu siegen. Napoleon
dient so manchem nachfolgenden Machthaber der Welt als Beispiel und
Idol. Die Einigung Europas war Bonapartes Ziel. Es gilt Napoleon zu
übertrumpfen. Die Champs Elysée ist zwei Kilometer lang und führt
zum Arc de Triomphe. Neue Prachtstrassen müssen länger und breiter
sein. Der Triumphbogen in Paris misst 50 Meter an Höhe. Der in
Berlin wurde mit 120 Meter geplant. Napoleons Feldzug nach Russland
scheiterte. Ein Gelingen für einen Eiferer ist somit Pflicht. Aus
dem Wahnsinn Napoleon zu übertrumpfen erklärt sich die Energie die
für solche Unternehmen frei wurden. Ein hartnäckiges Festhalten an
eroberten Positionen, wenn sie auch nicht mehr zu halten waren.
Napoleon kam bis in den Kaukasus. Ihm sollte der Kaukasus für einen
Vorstoss bis nach Persien und weiter bis Indien dienen. Napoleon
wurde für seine Unternehmen von Alexander dem Grossen angestachelt.
Es scheint eine unausrottbare Tradition der Herrscher zu bestehen,
das immer wieder auftauchende Übertreffen des eigenen Vorbildes. Das
Wahnsinnige an diesem Bestreben ist, dass vor dem Errichten der
Pracht der Macht erst das Gegenwärtige zerstört werden muss.
Zerstört durch Kriege. Und sollte ein Krieg verloren gehen, so ist
das Volk verloren, das Volk zerstört. Denn das Volk hat sich als
schwach erwiesen und nur dem Starken gehört die Zukunft.
Kriege
– Siege – Selbstbewusstsein.
Masse – Radio – Sklaven.
Schwierigkeiten – Russland – Juden.
Aus Wirklichkeit wird Wahn. Der Wahn unterscheidet sich kaum von der Wirklichkeit. Die Kraft des Wahns begnügt sich aber nicht mit kleinen Genugtuung. Wahn ernährt sich von Erfolgen. Misserfolge stacheln nur zu neuen Erfolgen. Der Wahn zeigt Härte. Der Wahn soll zu Wirklichkeit verwandelt werden. Die Ausübung der Macht ist nicht mehr Realität. Die Kluft zwischen Wahn und Wirklichkeit erweitert sich stetig. Der Glaube an sein eigenes Glück wird zum Unglück des Volkes.
Nur durch die Zerstörung des Wahnsinnigen wird das Volk wieder auferstehen. Aus dem auferstandenen Volk wird sich ein neuer Führer bilden. Das Rad der Geschichte stoppt nicht mit der Vergangenheit, sondern dreht sich weiter über die Gegenwart in die Zukunft.