Krieger Architekt

02.02.2024

Nach dem Besuch einer ehemaligen Weltstadt der UdSSR wirken vor allem die imposanten Bauten nach. In Bukarest ist es vor allen anderen Gebäuden der Regierungspalast mit seinen 365.000 m2 Fläche, 1.000 m2 für jeden einzelnen Tag des Jahres. Das ehemalige Haus des Volkes liegt am Ende einer drei Kilometer langen Boulevard, der aus einem riesigen Platz erwächst. Der Palast liegt auf einem Hügel und somit leicht erhöht über der Stadt. Das Gebäude wurde von 1983 bis 1889 nach den Vorstellungen des diktatorisch regierenden Präsidenten Nicolae Ceausescu errichtet und von den Einwohnern das Haus des Sieges über das Volk genannt.
Ceausescu war nicht der erste Machthaber und sicher auch nicht der letzte Staatsmann, der seine Macht gegen die Masse mit riesigen überdimensionalen Gebäuden demonstrierte. Alle Machthaber haben und hatten ihre eigenen Vorbilder. So auch ein kleiner Mann, der das Deutsche Reich wieder erstehen lassen wollte. Heute kennen wir das Ende und erst nach dem Schlussakt wurde uns der Anfang in seinem vollen Ausmass bewusst. Es soll uns eine Warnung für die Gegenwart und die Zukunft sein. Eine Warnung die aber nutzlos ist, denn er oder sie erscheint uns anderswo, sein Aussehen wird anders sein und die Warnung daher vergebens.

Sein Reich baute er auf die grösste mögliche Masse auf. Durch die Erzeugung von Massen ist er zur Macht gelangt. Aber grosse Massen neigen leicht dem Zerfall hin. Ausser dem Krieg kann der Zerfall der Masse nur durch eigenen Wachstum und einer regelmässigen Wiederholung der Huldigungen vermieden werden. Für die Wiederholungen dienen Gebäude wie Kathedralen, Moscheen und Synagogen. So hätte der geplante Kuppelberg zu Berlin siebzehn Mal mehr Raum geboten als die Peterskirche in Rom. Aber in einem geschlossenen Raum, einmal gefüllt, kann die Masse nicht mehr wachsen, also werden Wiederholungen benötigt.
In der römischen und griechischen Antike finden sich bereits die Arenen für sportliche Veranstaltungen, welche bis heute, zum Beispiel in Fussballstadion, den gleichen Zweck erfüllen. Die Massen sitzen zusammen, sich gegenüber, die eine Masse sieht die andere Masse, die Masse der Gegner, die sich gegenseitig anstacheln und mit Gesten und Worten bekämpfen.
Er träumte von Bauten, wie sie seit Jahrhunderten nicht mehr entstanden sind. Er dachte an Ägypten, an die Pyramiden. Nicht nur wegen ihrer Grösse, sondern auch weil sie seit Gedenken da sind. Sie haben in sich die Vergangenheit hin bis zur Gegenwart gespeichert. Sie zeigen in die Zukunft. Er wollte alles, was vor seiner Zeit war übertreffen. Seine Unternehmen und seine Wünsche und Träume sind vom Zwang zu übertreffen geprägt. Damit steht er nicht alleine, er ist nicht der erste der seine Vorbilder übertreffen wollte. Wer seine eigenen Vorbilder übertrifft, der ist ein Sieger. Ein Sieger der sich eine Niederlage nicht einmal im Traum vorstellen kann. Eine Niederlage würde als Sieg bezeichnet, denn der Stärkere ist gleichzeitig auch der Bessere. Er verdient sogar in der Niederlage zu siegen. Napoleon dient so manchem nachfolgenden Machthaber der Welt als Beispiel und Idol. Die Einigung Europas war Bonapartes Ziel. Es gilt Napoleon zu übertrumpfen. Die Champs Elysée ist zwei Kilometer lang und führt zum Arc de Triomphe. Neue Prachtstrassen müssen länger und breiter sein. Der Triumphbogen in Paris misst 50 Meter an Höhe. Der in Berlin wurde mit 120 Meter geplant. Napoleons Feldzug nach Russland scheiterte. Ein Gelingen für einen Eiferer ist somit Pflicht. Aus dem Wahnsinn Napoleon zu übertrumpfen erklärt sich die Energie die für solche Unternehmen frei wurden. Ein hartnäckiges Festhalten an eroberten Positionen, wenn sie auch nicht mehr zu halten waren. Napoleon kam bis in den Kaukasus. Ihm sollte der Kaukasus für einen Vorstoss bis nach Persien und weiter bis Indien dienen. Napoleon wurde für seine Unternehmen von Alexander dem Grossen angestachelt. Es scheint eine unausrottbare Tradition der Herrscher zu bestehen, das immer wieder auftauchende Übertreffen des eigenen Vorbildes. Das Wahnsinnige an diesem Bestreben ist, dass vor dem Errichten der Pracht der Macht erst das Gegenwärtige zerstört werden muss. Zerstört durch Kriege. Und sollte ein Krieg verloren gehen, so ist das Volk verloren, das Volk zerstört. Denn das Volk hat sich als schwach erwiesen und nur dem Starken gehört die Zukunft.

Kriege – Siege – Selbstbewusstsein.
Masse – Radio – Sklaven.
Schwierigkeiten – Russland – Juden.

Aus Wirklichkeit wird Wahn. Der Wahn unterscheidet sich kaum von der Wirklichkeit. Die Kraft des Wahns begnügt sich aber nicht mit kleinen Genugtuung. Wahn ernährt sich von Erfolgen. Misserfolge stacheln nur zu neuen Erfolgen. Der Wahn zeigt Härte. Der Wahn soll zu Wirklichkeit verwandelt werden. Die Ausübung der Macht ist nicht mehr Realität. Die Kluft zwischen Wahn und Wirklichkeit erweitert sich stetig. Der Glaube an sein eigenes Glück wird zum Unglück des Volkes.

Nur durch die Zerstörung des Wahnsinnigen wird das Volk wieder auferstehen. Aus dem auferstandenen Volk wird sich ein neuer Führer bilden. Das Rad der Geschichte stoppt nicht mit der Vergangenheit, sondern dreht sich weiter über die Gegenwart in die Zukunft.