Niger

09.08.2023

Und plötzlich erzählen uns die Tageszeitungen, dass die Ukraine nichts mit dem Sahel zu tun hat und die Franzosen die Guten im Niger waren und nun sicher auch hier die Russen kämen. Der Russe als Feindbild erreicht seine alte Grösse in Europa.
Im Gegenzug verliert Frankreich endlich seine Glaubwürdigkeit. Die Zeiten sind vorbei, dass der Weisse dem Schwarzen Glasperlen und ein Fass Branntwein schenkt und dieser im Gegenzug ein Kreuz unter einen Vertrag setzt und somit den Abbau von Uran abtritt.

Die ersten, welche sich an die Westküste Afrikas wagten, waren die Portugiesen. Sie bauten entlang der Küste Festungen, um das weitere Vordringen auf dem Schiffsweg Richtung Indien zu sichern. An den Festungen gab es für die Seefahrer frisches Wasser, Obst und Gemüse, Fleisch und erste Tauschwaren wie Gold und Elfenbein. Frankreich versuchte mit den Portugiesen mitzuhalten, war aber noch nicht bereit und die wenigen Niederlassungen wurden bald aufgegeben. Besser waren die Engländer und die Holländer vorbereitet, welche über eine starke Flotte verfügten und sich im Handel auskannten. Bald hatten sie die alten portugiesischen Festungen eingenommen und ausgebaut.

Etwa zur gleichen Zeit auf der anderen Seite des Atlantiks wurden die Einwohner Amerikas hingemetzelt und plötzlich standen die Eroberer alleine da und es gab nicht genügend europäische Einwanderer, um die weiten fruchtbaren Flächen vor allem im Süden zu bearbeiten.
In Afrika gab es dagegen viele Menschen, die nichts zu tun hatten, und so gab eins plus eins drei und die ersten Schiffe aus Europa, welche Metall, Glasperlen, Stoffe, Wein und Schnaps an die afrikanische Küste brachten, nahmen einen Umweg mit dem wenigen Gold und Elfenbein, das sie gekauft haben und brachten die ersten schwarzen Arbeitskräfte nach Amerika. Erst dann segelten sie zurück nach Europa. Der Sklavenhandel an der Westküste Afrikas war geboren.

Der König von Brandenburg, später Preussen, hörten von diesem lukrativen Dreiecksgeschäft und wollten auch ein bisschen mitmischen. Da keine eigene Schiffe und somit keine eigene Marine bestand, wurden die im eigenen Vaterland unliebsame Holländer samt Schiff und Mannschaft angeheuert. Im 17. Jahrhundert waren somit die Deutschen für knapp 60 Jahre auch an der Westküste vertreten und halfen mit Menschen auf die andere Seite des Atlantiks zu schiffen.
Afrika war für die Europäer ein hartes Pflaster. Der Winter war heisser als der Sommer zu Hause. Die Früchte und das Gemüse waren anders, aber es schmeckte. Die Krankheiten waren unbekannt und wer ein halbes Jahr überlebte, konnte sich glücklich schätzen. Nach den ersten abenteuerlichen Tagen wurde es langweilig. Man traute sich nicht weit weg ins Landesinnere. Wilde Tiere, unbegehbare Wege, Hitze und Krankheiten liessen die Europäer in ihren Festungen weilen. Schiffe kamen auch nicht jede Woche, im Herbst, wenn die Winde ungünstig wehten sogar für Monate nicht. Alkohol in grösseren Mengen half vielleicht gegen die Krankheiten, sicher aber gegen die Langeweile und sorgte für einen tiefen Schlaf unter tropischen Nächten.
Die Schwarzen waren vielleicht für die Europäer primitiv, aber sie wussten, wie leben, wo sie geboren sind. Sicher freuten sie sich über die glitzernden Glasperlen, die farbigen Stoffe und die feuerspeienden Holzstöcke, aber dumm waren auch sie nicht und merkten bald, dass die Weissen ohne ihre Hilfe nicht lange sich in Afrika halten können.
Als der Mensch zur Ware wurde, waren sie es, welche die Mitglieder ihrer Feinde, ihrer Nachbardörfer vom Landesinnern an die Küste brachten. Wenige Weisse haben sich mehr als die Reichweite einer Kanonenkugel von der Küste entfernt.
Menschen gab es wohl zu genügend und geschäftstüchtige, skrupellose Händler gab es schon immer. Früher wurde mühsam Gold in den Norden gebracht, um in das fehlende lebenswichtige Salz zu tauschen. Mit den Wünschen der Briten und Holländer wurde der Weg kürzer und der Ertrag höher.
Es war besser, seinen Feind vorher zu fesseln und zu verkaufen, als selber von Feinden gefesselt und verkauft zu werden. Wenige hatten das Glück, davon zu kommen. Aber die Gebieter benötigten einheimische Soldaten, welche nicht nur die Festungen verteidigten, sondern auch die Handelswege ins Innere des Kontinents sicherten. Auf die weissen Soldaten konnte nicht gezählt werden. Die Weissen kamen ohne Frauen, somit schufen sie Platz für Konkubinen. Aber der grosse Rest wurde über See nach Amerika in ein besseres Leben geführt, sofern der Tod nicht bereits auf dem Weg zum Strand oder auf der Überfahrt auf sie wartete.

Eine traurige Geschichte der Menschheit, hinter der nicht nur einfach die Fahrt nach Amerika stand, sondern dahinter standen Geschichten von Weissen und Schwarzen. Geschichten, welche nichts mit den Franzosen im Sahel zu tun haben, aber Geschichten, welche die vermeintliche Stellung der Europäer in Afrika bis in die heutige Zeit prägen. Vieles hat sich in den Jahrhunderten geändert, aber im Grunde sind die Gesetze des Handels geblieben und werden bleiben, solange sich Menschen nicht schämen, über die Leichen der anderen zu steigen.