Samarkand - Usbekistan

18.04.2023

Schon der Name Samarkand ist ein Märchen. Samarkand enthält eine romantische Botschaft, riecht nach Gewürzen aus fernen Ländern, handgewebten Seidenteppichen, bunter Keramik, Kamelkarawanen, buntes Markttreiben und himmelblauen Kuppeln.
Hinter den Ständen mit Souvenirs sitzen die Frauen, wie bereits ihre Mütter, Grossmütter und Urgrossmütter sassen. Das Angebot hat sich verändert, so wie auch die Kunden. Die meisten Touristen sind sich nicht ans Handeln gewohnt. Doch ist es wichtig zu feilschen, noch über die kleinsten Dinge, eine Banane, eine Apfelsine oder eine bunte Keramikfigur. Es muss diskutiert und verhandelt werden.
Gemäss der uralten Tradition ist auch heute noch der Markt in verschiedene Abteilungen aufgeteilt. Da sind die Brotverkäuferinnen, dort stehen die Stände mit den farbenfrohen Gewürzen und Tee. Die Luft riecht intensiv nach frisch gemahlenem Zimt. Hier gibt es Gemüse und Früchte, da Kleider für die Kinder. In einer Ecke feilschen die Nuss- und Trockenfrüchte-Verkäufer. 

Als ich den Registan Platz betrat, ging die Sonne gerade hinter den Gebäuden unter. Ich setzte mich auf den Brunnenrand und geniesse den Augenblick. Jedes der Gebäude ist eine Herrlichkeit für sich.
Die prachtvoll restaurierten Medressen und Koranschulen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert schmücken den wohl prächtigsten Platz Zentralasiens. Dazu stehen sie in perfekter Symmetrie gegeneinander. In den Bäumen hinter mir fangen die Spatzen an zu singen, als ginge es um ihr Leben. Es wird mir langsam kalt, ab ins nächste Teehaus zum Aufwärmen.
In den Vorgärten der Wohnhäuser sind mir bereits die "Bettgestelle" aufgefallen. Ich wusste nicht, ob wohl alle usbekischen Hausfrauen zur gleichen Zeit den Frühlingsputz machen, bis ich entdeckte, dass auch in und um die Teehäuser solche Diwane aufgestellt sind. Rund um einen niedrigen Tisch liegen Teppiche und Decken. Die Herren strecken sich gemütlich auf dem Diwan aus, trinken nicht nur Tee und diskutieren über das Tagesgeschehen, die Politik, Religion und Fussball. Ziehe ich mir doch auch die Schuhe aus und sitze erst einmal im Schneidersitz auf meinem Diwan. Zum Aufwärmen bitte eine Kanne Tee und ein Glas Wodka. Ich bin nicht lange alleine und eine nette internationale Runde freut sich über den usbekischen Brauch.

Allen Usbeken, denen ich auf meiner Reise begegnet bin, sind sehr freundliche Menschen hilfsbereit und es ist schade, dass ich nicht über den Gruss hinauskomme, um mich mit ihnen zu unterhalten. Wenn auch über Bücher und Internet schon einiges Wissen über das für uns Europäer unbekannte Land gesammelt, staune ich doch, was hier geleistet wurde, wo Mitteleuropa noch im tiefen Schlaf lag und nur Al-Andalus in Südspanien und Nordafrika mit der Kultur Zentralasiens mithalten konnte. Während der Zeit als Teil der Sowjetunion wurden die religiösen Monumente nicht zerstört wie in anderen Regionen, sondern unter Denkmalschutz gestellt und wieder aufgebaut. In Moskau hat man das touristische Potenzial gespürt und so sind bis hin ins 21. Jahrhundert einmalige Bauten erhalten geblieben.

Neben der Bibi Xanom Moschee gibt es einen schönen Markt, den Siab Basar. Aufgrund seiner Nähe zu einem der wichtigen Monumente glaubt der Besucher, dass der Markt für Touristen ausgelegt ist, aber nur an einem kleinen Teil findet der Besucher Keramik, der nicht von Einheimischen gekauft wird.
Spezialisiert hat sich der Markt eher auf Trockenfrüchte, Nüsse und Gewürze. In einem weiteren Teil sind die Gemüse- und Obstverkäufer untergebracht. In einem weiteren Teil Hühner- und Wachteleier zum Verkauf angeboten. Die ausländischen Marktbesucher werden kaum beachtet. Wenige Worte auf Englisch und Deutsch sind zu hören. Ältere, rundliche Frauen bieten frisches, köstliches Fladenbrot an. Ein Lächeln, ein kurzes Aufblitzen ihrer Goldzähne ladet zum Kaufen ein. Das Angebot ist riesig, aber doch beschränkt auf die Waren, welche das Land hergibt. Man findet wenige Importprodukte. Überall wird gehandelt und gefeilscht. Aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse nehme ich die Finger zu Hilfe, gebe ich einem Verkäufer eine zu hohe Note, waren 5'000 oder 50'000 Som gemeint, so gibt er genügend Rückgeld raus, dass ich merke, dass es nur fünftausend waren.

"Timur war ein hässlicher Mann. Er hatte ein blindes Auge und einen lahmen Fuss."
so die Worte von Johann Wolfgang von Goethe.

Timur war ein Kriegsherr, heute der usbekische Nationalheld, welcher Ende des 14., anfangs des 15. Jahrhunderts Samarkand erneut zum Zentrum der muslimischen Welt verhalf. Seine sterblichen Überreste liegen im Mausoleum der Timuriden Gur Emir. Eine Pracht, welche sonst nur in Palästen zu sehen ist.
Eine Vielzahl von Legenden rankt sich nicht nur um den Herrscher, sondern auch um sein Grabmal. Wissenschaftler aus Samarkand hatten die sowjetischen Archäologen gewarnt, den Sarg Timurs öffneten. Sollte die Totenruhe gestört werden, würden Geister des Blutvergiessens und des Todes geweckt.
Das Grab wurde trotzt allen Warnungen am 21. Juni 1941 geöffnet. Am darauf folgenden Tag überfiel das Deutsche Reich die Sowjetunion – kein Zufall in den Augen der Einheimischen.
Der Enkel und Gelehrte Ulugbek ist in Samarkand die zweitpopulärste Persönlichkeit nach seinem kriegerischen Grossvater. Auf einem Hügel etwas ausserhalb der Stadt liess er ein Observatorium errichten, mit dessen Hilfe die Koordinaten von über 1000 Sternen erstellt werden konnte. In seiner Regierungszeit erlebte die Stadt Wohlstand und kulturelle Blüte. Ende des 15. Jahrhunderts regierte der letzte Timuride. Anfangs des 18. Jhd. Verödete die Stadt und wurde schliesslich 1868 dem Russischen Reich einverleibt.

Die Denkmäler sind in der Stadt weit verteilt. Eine Fahrt und hie und da auch ein Spaziergang lohnen sich, um nicht nur das Leben der Einwohner kennenzulernen, sondern sich auch an den Gebäuden aus der Zeit der Zaren zu erfreuen. Samarkand ist eine Stadt wie Granada in Spanien, es lohnt sich hier einige Tage zu verweilen.