Schienenverkehr in Afrika

08.05.2023

Das französische Kolonialreich bestand aus den Kolonien, die Frankreich seit der Frühen Neuzeit erobert hatte. Neben dem Spanischen und dem Britischen war es eines der grössten der Geschichte. In vielen der damaligen Gebieten ist Französisch noch heute neben der Landessprache die wichtigste Fremdsprache. Auch weitere Elemente der französischen Kultur sind bis heute erhalten geblieben. Aber auch auf Frankreich selbst hatten die Kolonien Auswirkungen. So gibt es heute viele Franzosen, die von den Ureinwohnern abstammen.
Diese Einwanderer brachten wiederum ihre Kultur mit und vermischten sie mit der französischen. Frankreich hatte zwei Kolonialreiche. Das erste begann um das Jahr 1530 und bestand vor allem aus Gebieten in
Nordamerika. Es endete im Jahr 1763 mit dem Siebenjährigen Krieg. Das zweite französische Kolonialreich begann im 19. Jahrhundert in der Zeit nach der Herrschaft von Napoleon und endete einige in den 1960er Jahren.

In den Kolonien in Afrika spielte der Schienenverkehr eine wichtige Rolle. Seit den 1830er Jahren gab es Überlegungen, auch in Nordafrika Eisenbahnstrecken zu errichten. Die ersten entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die 1853 gegründete Société civile des minerais et hauts-fourneaux de Karezas betrieb südlich von Annaba Bergbau und errichtete dafür die erste Eisenbahn in Algerien. Rechtliche Grundlage, um öffentliche Eisenbahnen zu errichten war ein Dekret vom 8. April 1857, das vorsah, nur in Algerien 1357 km Eisenbahnstrecken zwischen Constantine, Algier und Oran zu errichten. Im Jahr 1858 begann die französische Armee auch mit dem Bau einer Strecke von Algier nach Boufarik. Die Strecke ab Constantine wurde weitergeführt bis nach Tunis und von dort Richtung Süden der Küste entlang über Sousse und Sfax bis Gabes. Von hier im Landesinnern, der heutigen Grenze zu Algerien entlang, dann wieder Richtung Norden. Verschiedene Schienennetze verbinden diese beiden Hauptstrecken.Auf der anderen Seite führte die Bahn von Oran über Tlemcen bis nach Oujda. Von hier über das marokkanische Eisenbahndrehkreuz entweder Richtung Norden bis zur Hafenstadt Tanger, oder Richtung Süden über Rabat und Casablanca bis Settat und weiter bis Marrakesch.Während nicht die Grenzkonflikte, wäre es heute theoretisch noch möglich mit der Eisenbahn von Tunesien über Algerien bis an die Atlantikküste Marokkos zu reisen.

Frankreich verfolgte ein weiteres Projekt und wollte die Kolonien in Nordafrika mit den Kolonien südlich der Sahara verbinden. 1879 wurde die Möglichkeit erstmals untersucht, eine Bahnstrecke (chemin de fer transsaharien) zu bauen, die Algier mit Saint Louis in der französischen Kolonie Senegal südlich verbinden sollte. Das Projekt wurde oft diskutiert, aber nie verwirklicht.

Der Basler Alfred Stähelin schreibt in seinem Reisebericht im Oktober 1885:
"Der Transsaharien war der Haupt- und Grundgedanke, das Motiv der afrikanischen Reisen des Südfranzosen Mr. Paul Soleillet. Der Bau einer Eisenbahn von Algier nach St. Louis-du-Senegal via Timbuktu! Die Landverbindung also zwischen den französischen Colonien Algeriens und Senegal! Um dieses grosse Projekt der Eisenbahnlinie mit einer Streckenlänge von nicht ganz 4'000 Kilometer drehten sich die Reise Soleillet's im Jahre 1874 nach der Oase In-Salah, ferner seine Versuche anno 1878 und 1880, Timbuktu von Senegal aus zu erreichen. Leider hat der schlimme Ausgang der Mission die Verwirklichung dieses Projekts zunächst in ziemliche Ferne gerückt, aber gewiss nicht für immer zerstört, denn die aus einer Realisation desselben hervorgehenden gewaltigen politischen und nationalökonomischen Vorteile sind zu sehr in die Augen springend und zu mächtig in den ganzen Kolonialbesitz und in das Völkerleben eingreifend, als dass man dieses ebenso kühne als grossartige Projekt so ohne Weiteres aufgeben könnte."

Mit euphorischen Gutachten und teilweise absurden Zahlen über das Handelsaufkommen im Transsaharahandel warb Paul Soleillet für die Eisenbahnlinie, die von Algier – oder noch besser von Tunis aus – entlang der alten Handelsroute an den Tschad-Seeins Königreich Bornuund von dort aus zum Nigerbogen nach Timbuktu führen sollte. Astronomische Gewinne wurden in Aussicht gestellt, und die Eisenbahn durch die menschenfeindlichsten Wüsten sollte der Welt beweisen, dass Frankreich trotz der Schwächung durch Deutschland in der Lage war, eine gigantische technische Meisterleistung zu vollbringen. Die Presse griff diese Fantastereien auf, und auch die Regierung konnte sich diesem Sog nicht mehr entziehen. Im Mai 1881 wurde das Transsaharien-Projekt in die Schublade gelegt. Zwar kursierten noch bis zum Ersten Weltkrieg Broschüren, in denen der Traum von einer Eisenbahn durch die Wüste immer wieder reaktiviert wurde, aber die französischen Kolonialpolitiker hatten eingesehen, dass sich die Investitionen für ein solch gigantisches Prestigeprojekt nie amortisieren würden. Nur kleinere Strecken von der Küste aus in die nördliche Sahara wurden realisiert. Das Land der Tuareg blieb mehr als ein Jahrzehnt lang eine Tabuzone, bis in den 1890er Jahren ehrgeizige Militärs in Richtung Timbuktu vorrückten, das 1894 von Marschall Joseph Joffre besetzt wurde. Das Land der Ahaggar fiel erst 1902 in die Hände der Franzosen.

Während des 2. Weltkrieges wurden die Planungen wieder aufgenommen und mit dem Bau der Mittelmeer-Niger-Bahn begonnen. Die Chemins de Fer de la Méditerranée au Niger wurde nur teilweise fertiggestellte. Sie war Bestandteil eines geplanten, umfangreichen Schienennetzes in Französisch-Westafrika. Die Gesellschaft, die diese und die Zubringerstrecken von 1941 bis 1962 betrieb, hiess ebenfalls Mittelmeer-Niger-Bahn. Die Planungsphase der Bahnstrecke dauerte mit rund 75 Jahren dreimal so lange, wie die Strecke dann in Betrieb war.

Der Mensch träumte schon immer mit technischen Mitteln die Welt zu erobern. Waren es früher die Eisenbahn und der Strassenbau, es gab auch ein Projekt einer Strassenverbindung von Algier bis nach Südafrika, wollte später das Weltall erobert werden. Heute versucht man mit künstlicher Intelligenz nicht mehr zu erobern, sondern die Menschheit selber zu zerstören.